Bettina

Mein Weg zum Veganismus war anfangs stürmisch. Mit 12 Jahren, mit der Erkenntnis, dass das, was auf dem Teller lag, wirklich Tierteile sind, entschied ich mich dafür, „niemanden mehr zu essen, der eine Mama hat“. Das schockierende Schlüsselerlebnis für mich war, dass ich nicht in die Küche durfte, weil dort der ganze Körper eines Kaninchens lag. Ich hatte mir ein eigenes sehr erkämpft, weil meine Familie nicht wirklich tieraffin war, wo also meine innige Verbundenheit zum Mitgeschöpf herkam, ist nicht rational erklärbar. Als ich mir den Zutritt in die Küche erschlich, war ich tief erschüttert davon, das man aus einem Lebewesen mit Gefühlen, das ehemals so sehr Liebe, Fürsorge, Angst und Schmerz zeigen konnte (wie mein „Krümel“ im sicheren Stall) eine entpelzte, kalte, leblose Muskelmasse herstellen konnte und wollte, ihm alles nahm, was es ausmachte, nur, um sich 10 Minuten daran gütlich zu tun. Ganz furchtbar war für mich damals die Erkenntnis, mich innerhalb meiner Familie und unter allen mir wichtigen Menschen so allein mit meinen Emotionen zu fühlen, und das als so junger Mensch. Mit meinem 8 Jahre dauernden Praktikum bei einem Landtierarzt, das später neben der Schule, zu meinem einzigen „Hobby“ wurde, tauchte ich noch tiefer in das Leid, der landwirtschaftlichen „Nutz“Tiere ab und schaute überall ganz genau hin. Ich sah mehr Tierleid in Form gebrochener Schweinebeine und -hüften, mehr mit dem Trecker zum Verrecken geschleifte Rinder, mehr nach Fehlbetäubungen geschlachtete Tiere, als jede Doku heute zeigen könnte. Das Leid dieser Kreaturen war mein Antrieb, das Veterinärmedizinstudium zu beginnen, weil ich dachte, so könnte ich mich zur „Anwältin der Tiere“ ausbilden lassen. Schon die Vorlesung „Versuchstierkunde“, die die Studierenden in entmenschlichte Forschung zu integrieren versuchte, ließ meine Hoffnungs-Blase platzen. Als uns dann noch in Physiologie Schafe mit esstellergroßen Deckeln in den Seiten der Bauchwand in Rollboxen präsentiert wurden, denen wir kleine Ballons in die Vormagenabteilungen einsetzen sollten, um bei ihnen das Widerkauen auszulösen, entschied ich mich, das Studium abzubrechen. Es war mehr als klar, dass meine ethische Motivation dort für eine Approbation gebrochen werden würde, weil ich mich zum Rädchen der Tierausbeutung entwickeln müsste. Ich studierte in Zürich weiter und zwar Homöopathie und Akupunktur für Tiere. Mein Sohn kam zur Welt, als ich 22 Jahre alt war. Er war sicher eines der ersten von Geburt an vegetarischen Kinder, die man kannte. Auch in dieser Zeit fühlte ich mich sehr allein und auch Angriffen ausgesetzt, weil ich mich von meinem Weg nicht abbringen ließ. Selbst damals wurde fleischloses Leben noch als höchst gefährlich für Kinder angesehen. Die Blutwerte meines Sohnes und meine eigenen waren allerdings immer perfekt. Zum veganen Leben brachte mich dann das Einlassen auf meinen Sohn und sein eigenes erweitertes empathisches Empfinden. Und selbstverständlich leiden Lebewesen nicht nur in der Fleischproduktion lebenslang. Mein Sohn ist inzwischen fast 26 Jahre alt und vor etwa 10 Jahren wurden wir beide vegan. Sehr befremdlich, dass es bei mir so lange dauerte, da ich, wir, unser Leben mit meinem Beruf und der eigenen Praxis, ganz innig mit geretteten, misshandelten, ausgebeuteten und körperlich beeinträchtigten Wesen auf unserem 20 Jahre schon existierenden Lebenshof den Tieren verschrieben haben. Was uns beide eint, ist auch die Überzeugung dass da, wo Tiere leiden, auch immer Menschen leiden. Das ist meine Erkenntnis in all den Jahren Fleisch- und Lebendtier-Beschau in Schlachthöfen und überall. Deshalb sind Menschenrechte auch nie von Tierrechten trennbar. Heute wird besonders deutlich, wie global die Auswirkungen sind, die die Entscheidung gegen tierliche Lebensmittel nach sich ziehen. Sie ist das wohl weitreichendste Geschenk, das wir unserem Planeten und seinen Bewohnern machen können.