Beth

Ich habe die meiste Zeit meines Lebens versucht dazuzugehören. Ich habe rebelliert mit Stil, mit meinem Verhalten, gepöbelt keine Frage. Aber eigentlich wollte ich immer nur dazugehören. Kein Fleisch zu essen ist außerhalb der großen Stadt etwas, was ganz bestimmt nicht zum Dazugehören beiträgt. Meine Cousine, die kein Fleisch gegessen hat seit ihrer Jugend, die war komisch, lacht man ab und zu drüber – kriegt sie halt ’nen Camembert. Die Nachbarn, die vegetarisch gelebt haben, haben uns zum Essen eingeladen: „Oh je, da gibt’s wieder nur Hirse.“ Zugegeben, vielleicht war das in den 90ern auch noch so. Ein befreundetes Paar in meinem sehr nahen Umfeld hat schon lange vegan gelebt. Fand ich nicht schlimm, aber so zum Grillen kein Fleisch? Ugh, nee, ein Steak braucht’s doch schon. „Ein Steak“ ist absurd, in Anbetracht dessen, dass ich eigentlich morgens, mittags, abends an Fleisch und Wurst gegessen habe, Fisch, Meeresfrüchte, Käse, Innereien, alles probiert, alles super, vegetarisch ist Beilage.
Bis ich dann nach jahrelangem Kampf gegen mich selbst an einem Punkt stand, an dem ich eine Entscheidung treffen musste. Jahrelang hatte ich ignoriert, wie schlecht es mir eigentlich ging, die Psyche hatte zwei Optionen – aufgeben oder etwas ändern. In drei Monaten Klinikaufenthalt habe ich mich sprichwörtlich einmal komplett durch den Fleischwolf drehen lassen und so ziemlich alles an meinem Verhalten hinterfragt, was es gab. Glaubensgrundsätze komplett über Bord geworfen. Das hat dann auch den Anstoß gegeben, sich vom „Fleisch essen ist cool und stark und ich will cool und stark sein“ dazu zu entwickeln, sich die eigene Empathie einzugestehen und Emotionen wieder zuzulassen. Also kam der Moment, in dem ich der Massentierhaltung den Kampf ansagte und nur noch Demeter kaufen wollte. Aus Geld- und Motivationsmangel ist das nie passiert, also war ich von heute auf morgen Vegetarierin. Mit dem erwähnten befreundeten Paar als Support und Wissensquelle (sowohl zur Therapie als auch zum Veganismus) fing ich an, in kurzer Zeit all das zu lernen, was ich so lange schlicht ignoriert hatte. Ich habe mich ein Jahr lang in das Thema verbissen, bis klar war: vegetarisch reicht nicht – vegan muss es sein. Also habe ich das einzige was noch übrig war, die Gerichte mit Käse aus der Mensa, auch noch gestrichen und nun seit fast 6 Jahren mein Herz und meinen Kopf wieder in Einklang gebracht.
Heute bin ich der Meinung, dass Menschen Gutes tun, wenn sie Gutes erfahren. Wem es mangelt, der wird sich nehmen. Wer sich machtlos fühlt, ermächtigt sich über andere Lebewesen. Durch Selbstwirksamkeit wirken wir auch auf andere. Viele sind mir auf meinem Weg gefolgt und wie so viele bereue ich nur eines: alles nicht schon viel früher geändert zu haben. Das hätte mir und vielen anderen Lebewesen einiges an Leid erspart.
Auf dem Bild sieht man Eddie aus dem Land der Tiere, seine Patenschaft als Geburtstagsgeschenk hat mich 2018 zu Tränen gerührt.
Animal Liberation. Human Liberation.