Sandra Gullas Rumänienreise Januar 2019

Reisebericht, 1. Teil

Rumänische Hundelager im Winter – auch für mich eine gänzlich neue Erfahrung, fanden doch bisher alle meine Tierschutzreisen nach Rumänien im Hochsommer statt.

Erstmal hat mich Rumänien am Abend meiner Ankunft im weihnachtlichen bzw. neujährlichem Lichterglanz empfangen. Ich hab die Lichter als Aufmunterung genommen.

Am Samstagmorgen bin ich zusammen mit Mihaela Teodoru ins Hundelager Bucov gefahren. Ich war das letzte Mal vor eineinhalb Jahren hier und der erste Rundgang hat mich dann doch geschockt. Immer weiter wurden seither neue Kennel gebaut. Viele kleine Kennel. Bei Minus acht Grad war das Wasser in den Kenneln, die überhaupt welches hatten, eingefroren. In den anderen Jahreszeiten schützt die recht schöne Vegetation auf dem Gelände einen davor das gesamte Ausmaß der Anlage zu erkennen, man muss sich vorarbeiten. Jetzt kann der Blick weit schweifen und hat mich erstmal tief betroffen gemacht. Ab Montagmorgen werde ich meine Tage komplett in Bucov verbringen und kann dann die Gesamtsituation besser einschätzen.

Die Fahrt in das Hundelager Campina war dann fast sowas wie eine kleine Flucht. Dort erwarteten mich, wie ich jetzt durch meine Zählung weiß rund 250 Hunde. Mihaela hat diese Tötungsstation im August 2018 übernommen. Es ist weiterhin eine kommunale Einrichtung, die Rechtsbeziehungen sind durch einen Vertrag geregelt worden. Getötet wird nun natürlich nicht mehr. ProDogRomania e.V. unterstützt das Projekt nachhaltig.

Ich hab heute einen Plan für das Lager erstellt, die Hunde gezählt, kranke Hunde entdeckt, eine schlimme Beißerei nicht verhindern können, das Opfer ist nun in der Klinik, ein anderes Mobbingopfer umgesetzt und ihm die Ausreise nach Hamburg versprochen, mit einer wunderbaren Mamahündin geschmust, Teo wiedergetroffen, die nun als zufriedene Bürohündin hier lebt, Mihaela und ich fanden sie am 5. August 2015 auf der Fahrt zum Flughafen in verheerendem Zustand auf der Straße, wenige Fotos gemacht, Stroh in Hütten verteilt und dann war der erste Tag auch schon um.

Vielleicht wundert man sich, warum ich mich mit einem Lagerplan und Hundezählung beschäftige, während hier nicht wenige Hunde nach Aufmerksamkeit schreien. Der Plan und die Beschriftung der Kennel ist die Basis, um die erfassten Hunde dann auch wiederzufinden für eine Ausreise, aber auch für die Kommunikation untereinander. So habe ich auch aufgeschrieben, in welche Kennel die bereits gelieferten durch Spenden finanzierten Hundehütten verteilt werden müssen. Wie soll man das ordentlich machen ohne Nummerierung der Kennel. Morgen sollen mir zwei Arbeiter helfen die schweren Hundehütten bedarfsgerecht zu verteilen, Nummern sind dann auch in jeder Sprache verständlich.

Nach meinem Eindruck hat das Hundelager Campina gute Voraussetzungen eine ordentliche Einrichtung zu werden. Zwei Hauptprobleme auf dem Weg dahin kann ich schon jetzt benennen: 1. Es dürfen nicht wesentlich mehr Hunde werden. 2. Es müssen ausreichend Arbeiter beschäftigt werden können, derzeit sind es zwei, es müssten tatsächlich vier sein. Nach Auskunft von Mihaela ist letzteres einerseits eine finanzielle Frage, andererseits ist es aber auch nicht einfach zuverlässige Arbeiter zu finden, die hier auch im Winter draußen bei den Hunden arbeiten wollen.

Heute jedenfalls hatten wir strahlenden Sonnenschein und die gefrorenen Hundehaufen in den Kenneln konnten gut eingesammelt werden und ich bin auch kaum dreckig geworden, eben weil alles gefroren war.

Tja, und es dürfen nicht wesentlich mehr Hunde werden, also muss im Hundelager und in der Gemeinde Campina möglichst viel kastriert werden und Adoptionen müssen immer wieder für Entlastung sorgen, damit der unweigerlich kommende

Nachzug von Hunden Platz finden kann im Hundelager Campina. Gerade wieder gab es auf unserer Facebookseite eine Diskussion zu Züchtern, da war auch wieder die Rede von guten Züchtern. Wer jemals in einem Hundelager nur von den Ausmaßen von Campina stand, wird sofort klar haben, dass jeder extra produzierte Hund einer zu viel ist und denen die hier um Aufmerksamkeit schreien und sich teilweise vor lauter Glückseligkeit nicht mehr auf den Beinen halten können, wenn man sich etwas um sie kümmert, den Platz zum Überleben wegnimmt. Gute Züchter sind für mich nur solche, die das Züchten aufgeben, eine andere moralische Entscheidung ist angesichts der Situation im Tierschutz in Europa und auf der ganzen Welt nicht vertretbar. Aber sicher verirren sich die wenigsten Züchter und ihre Kunden in Hundelager…

Dabei ist das Hundelager Campina mit seiner Übersichtlichkeit und seinen logistischen Voraussetzungen für jede Hundefreundin und für jeden Hundefreund ein geeigneter Ort um im Tierschutz mit anzupacken.

Der heutige Sonntag ohne Sonne bei recht kaltem Wind. Für meine morgendlichen Kopfschmerzen ganz hervorragend, sie waren nach einer Stunde wie weggeblasen. Und so konnte ich mit zwei Arbeitern dreizehn schwere Hundehütten zu den Hunden, die es nötig hatten, bringen. Wir haben dann auch immer gleich eine Grundreinigung der jeweiligen Kennel vorgenommen. Im Sommer ist Stroh mit Kot und Urin auszumisten eine dankbare Aufgabe, jetzt im gefrorenen Zustand doch eine ziemliche Plackerei. Aber alle Hunde in Campina haben nun ein trockenes Hüttenplätzchen, das in die Hütten verteilte Stroh und die eigene Körpertemperatur oder bestenfalls auch noch die der Kumpel helfen über die kalten Nächte zu kommen. Auf die nicht selten gestellte Frage, warum ich mir sowas in meinem Urlaub antue, ist hier genau die Antwort. Weil ich gleich, wenn ich in mein Bett gehe und mir kuschelig die Decke bis an die Nase ziehe, weiß, dass alle Hunde in Campina auch einen guten Platz zum Schlafen haben und weil ich dazu beitragen konnte, dass es so ist.

Eine andere oft gestellte Frage ist, wonach wir die Hunde aussuchen, die in den HTV kommen können. Oft eine aus echtem Interesse gestellte Frage, manchmal eine Frage der Kritiker des Auslandstierschutzes um irgendwie wieder ein Argument dagegen zu haben. Denn richtig machen kann man es nicht! Richtig gibt es einfach nicht, weil es so viele Argumente für die eine wie für die andere Auswahl gibt.

Wir haben uns im HTV entschieden: Wir nehmen ganz hauptsächlich für uns gut vermittelbare Hunde auf, das heißt konkret mehr Hündinnen als Rüden, deutlich mehr Hunde unter 45 cm als darüber. Junge, mit anderen Hunden verträgliche Hunde mit einer Grundkompetenz im Umgang mit Menschen. Kaum Welpen aufgrund der höheren (Kinder-)Krankheitsrisiken. Dazu einzelne Hunde mit Handicap oder bei uns gut behandelbaren Erkrankungen, wenn sie in obiges Raster fallen. Auf jedem Transport von in der Regel zwölf Hunden kann einer dabei sein, der eigentlich durch das Raster fallen würde, z. B. weil groß und Rüde, weil alt und krank. Absolute Ausschlusskriterien sind immer: Unverträglichkeit mit Artgenossen oder Menschen, darunter fallen auch Angsthunde. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt für uns im HTV ist das ein tragbares und erfolgreiches Konzept.

Fragen Sie mich aber wie ich auswähle, wenn ich hier Vorort bin so kann ich Ihnen nur sagen, dass ich mich mit aller Kraft an unser vernünftiges Raster halte, da ich hier aber hunderte von Hunden kennenlerne, lerne ich auch hunderte kennen, die in dieses Raster fallen und so ist es gar keine schöne Aufgabe.

Bisher sind zwei der Plätze für den Januar Transport besetzt, obwohl es für mich ein Leichtes gewesen wäre, schon in den zwei Tagen unseren Transport gleich mehrfach durch Campina-Hunde zu besetzen. Aber ab morgen bin ich im Hundelager Bucov dort erwarten mich an die 2.000 Hunde….

Sie verstehen doch sicher, wenn ich der festen Überzeugung bin, jeder kann im Tierschutz seinen Hund finden, wer das nicht geschafft hat, hat sich nicht genug Mühe gegeben oder wollte es nicht wirklich und hat sich deshalb für einen Kauf entschieden.

Der Hund, der am Samstag schwer verletzt wurde, ist in der Klinik gestorben und heute Morgen fanden wir einen weiteren über Nacht verstorbenen Junghund.

Tja und jetzt kann ich mich nur noch entschuldigen, denn schon heute Morgen war der Akku meiner Kamera leer. Keine Ahnung, ob die Kälte auch so einem Akku zusetzt. Und über Tag kam mir nicht der Gedanke es mit dem Handy zu versuchen, war einfach im Arbeitsmodus. Jedenfalls war ich nicht aufmerksam genug und es tut mir leid, dass ich nicht noch den einen oder anderen tollen Campina-Hund vorzeigen kann. Aber in der Galerie von ProDogRomania findet man sehr viele der Campina-Hunde. Vielleicht ist auch Ihrer dabei.

Ihre Sandra Gulla

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Reisebericht, 2. Teil

Bucov, 1. und 2. Tag

So, dieses Mal hat es mit den Fotos besser geklappt – dafür kann ich nur in Zusammenfassungen berichten, da ich doch recht müde bin nach den ersten beiden Tagen im Hundelager Bucov. Ich bin froh, dass auch Aniela Ghita und Vet Irina die meiste Zeit der Tage anwesend sein konnten, so hatte ich stets kompetente Ansprechpartnerinnen.

Auch den Bucov-Plan habe ich ergänzt, es sind wieder etliche neue Kennel entstanden, viele von ihnen sind klein und behelfsmäßig, aber wie alles hier, werden sie sicher dennoch zur festen Einrichtung. Eine lange Liste an benötigten Schildern ist entstanden – die Schilder sind nun bestellt und sollen am Freitag geliefert werden.

Zusammen mit Arbeiter Marian habe ich die meisten der kleinen Zwinger der hier sogenannten aggressiven Hunde (Dummheit ist halt international) gereinigt und mit Stroh versorgt. Party für die Rottis und die AmStaffs, die in den kleinen Zwingern ganz wahrscheinlich den Rest ihres Lebens verbringen werden. Diese sogenannten aggressiven Hunde, sind neben den Deutschen Schäferhunden und den rumänischen großen Hütehunde-Rassen diejenigen, die das Lager nicht über Adoption verlassen. Daher rühren sie mich immer besonders an. Tatsächlich verteidigen einige von ihnen auch deutlich ihren kleinen Lebensraum, sie haben ja sonst nichts. Aber Marian kennt die Hunde und sie gehorchen ihm, andere sind einfach absolut liebevolle aufgeschlossene Hunde. Eben alles Tragödien.

Größtes Problem ist für mich nach den zwei Tagen die Reinigungssituation, gerade in den kleinen überfüllten Kenneln leben die Hunde in ihrem Kot. Das bespreche ich mit den Verantwortlichen.

Mit im Ergebnis sechs Arbeitern (und damit doppelt so vielen wie eigentlich benötigt) habe ich am ersten Tag fünf Hütten in Kennel verteilt, die bisher keine hatten. Die Arbeit dauerte eine gute halbe Stunde – den Lagerleiter dazu zu bekommen seinen Arbeitern Beine zu machen, damit das passiert, hat fast doppelt so lange gedauert. Jemand hatte Geburtstag und daher wurde ausgiebig gefeiert. Ich bin eine Freundin von After-Work-Partys.

Die Wasserversorgung ist jetzt im Dauerfrost genauso wichtig wie im Sommer, die Hunde bekommen Trockenfutter, es ist derzeit zwischen -8 Grad nachts und +2 Grad tagsüber, aber durch den Wind fühlt es sich nicht nur kälter an, es ist auch alles pulvertrocken. Die Wasserverteilung verlief am ersten Tag leidlich, am zweiten besser.

Die Futterverteilung läuft gut, so sieht man auch etliche dicke Hunde, aber jetzt im Winter ist das ein eher guter Anblick.

Jeden Tag kommen neue Welpen und der Mann am Tor versucht sie mit nettem Blick der Tierschützerin Aniela Ghita zu übergeben.

Am zweiten Tag habe ich mir die Situation in den Vetkenneln angeschaut: Sie hat sich jedenfalls nicht verbessert seit meinem letzten Aufenthalt vor anderthalb Jahren, eher verschlechtert, weil mittlerweile die Liegebretter überwiegend zerstört sind. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden.

Heute am Dienstag war Kastrationstag: 25 Hunde wurden durch die Finanzierung von ProDogRomania e.V. kastriert. Schon am Donnerstag soll der nächste Kastrationstag sein. Die Abläufe sind über die Jahre besser geworden, so werden jetzt die Hunde zum Aufwachen zwischengelagert und der Transport mit den Hundewagen ist nach wie vor eine gute Sache. Bedauerlich nur, dass man hier nicht auf die Idee kommt, den Reifen sofort zu reparieren, wenn er kaputtgeht, sondern den Wagen erstmal ewig so weiter nutzt…und wahrscheinlich über die nötige Reparatur lamentiert.

Mit großer Freude habe ich Fahrer Emil getroffen, der einen hammerharten Transport hinter sich hatte – die massiven Schneefälle in Österreich und Süddeutschland haben ihn alle Kraft gekostet. Er ist ein echt zäher und fleißiger Kerl.

Wie immer habe ich auch einige Notfelle entdeckt und versucht Lösungen zu finden, wie einen spindeldürren Hund, der nun in einem Käfig sitzt und gepäppelt und behandelt wird. Ich habe dem kleinen Kerl seine Ausreise nach Deutschland versprochen. Einen zerbissenen Hund habe ich umgesetzt, von dem seine Angreifer auch nicht wirklich ablassen wollten, obwohl ich das so deutlich wollte, wie ich nur

konnte. Eine Situation, in der man nie die Eigensicherung vergessen darf, denn sowohl die Angreifer als auch das Opfer sind dann wahllos in ihrem Kampf. Der Zerbissene sitzt jetzt in den Vetkenneln und wird von Vet Irina behandelt. Ich schaue morgen nach ihm. Für eine zu dünne und frierende AmStaff Hündin habe ich ein Strohbett mit Himmelbett gebaut und eine ordentliche Portion Nassfutter gegeben. Mal schauen wie es morgen aussieht. Rein vorsorglich, nein, sie kann keinen Mantel tragen, wenn der einmal nass wird, erfriert sie damit.

Heute wurde im Lager doppelt so viel gearbeitet wie gestern, es wurden eine Reihe von Kenneln grundgereinigt, Wasser und Futterverteilung klappte auch und das obwohl Kastrationstag war und da auch Arbeiter für den Transport der Hunde gebraucht werden.

Und der Lagerleiter war mit mir bis nach halb fünf im Lager und hat Listen von dreckigen Kenneln geschrieben, die ich ihm mit reizender Aufmerksamkeit ergänzt habe. Wofür die Nummern an den Kenneln so alles gut sind.

An Zufälle und spontane Sinneswandel kann ich nicht so recht glauben. Für Morgen habe ich den Verwaltungsdirektor, der für den Zoo, aber eben auch für das Hundelager Bucov zuständig ist, eingeladen, mit mir gemeinsam einen Rundgang über „sein“ Gelände zu machen. Er hat mir sein Kommen zugesagt. Wir sprachen auch bei meinem letzten Aufenthalt zusammen mit der 1. Vorsitzenden von ProDogRomania miteinander. Jetzt will ich gerne mit ihm durchgehen, was aus unseren Verabredungen wurde oder eben leider auch nicht…

Schon nach den vier Tagen kann ich sagen, dass es für mich bei Frost besser in den Hundelagern auszuhalten ist, als im Hochsommer wie auf den letzten vier Reisen. Es fehlen die hunderttausenden Fliegen, die Flöhe, die Zecken, der atemberaubende Gestank – und mir fehlt das alles so gar nicht.

Ich hoffe es schneit jetzt nicht in den nächsten Tagen, für die Hunde ist es besser, aber der Schnee würde auch den ganzen Kot überdecken und ich vermute das wäre ein guter Grund, um sofort die Reinigungsarbeiten einzustellen – und noch will ich ja gerne auch für ein bisschen Anstrengung sorgen.

Ihre

Sandra Gulla

PS.: Irgendwie habe ich die neue Art meiner Essenszubereitung liebgewonnen, könnte ich da ein Patent drauf bekommen? Ich schreibe Ihnen jedenfalls lieber, als Essen zu gehen.

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Reisebericht, 3. Teil

Bucov 3. bis 5. Tag

Am dritten Tag habe ich aus den mittlerweile unzählbaren Hunden, die in meinem Kopf schwirren, die zwölf Hunde ausgesucht, die in der nächsten Woche in den HTV kommen können, und einen weiteren, der zu Mit Tieren Leben e.V. geht und auf einer Pflegestelle in sein neues Leben starten darf. Ich freue mich für jeden von ihnen und hoffe inständig, dass ihnen jetzt nichts Schlimmes mehr zustößt.

Es ist hart, anderen innerlich zu sagen: „Ihr vielleicht beim nächsten Mal.“

Es werden weiterhin von den Arbeitern Kennel grundgereinigt. Also nicht so wie die sprichwörtliche deutsche Hausfrau es tun würde, aber insgesamt für rumänische Männer ein schon vorzeigbares Ergebnis.

Ich mache das Übliche: Stroh verteilen, Probleme lösen, helfende Hand sein, die dünne AmStaff-Hündin füttern und und und. Ab frühem Nachmittag merkte ich, da kommt ‚was …

4. Tag

 – mit Temperatur, Schüttelfrost und Halsschmerzen im Hotelbett verbracht, rumänischen Kräutertee und Bronchialsirup im Wechsel genossen. Meine Aufenthalte hier waren bisher immer zwischen 10 und 14 Tagen lang und ich habe es nie geschafft, die ganze Zeit durchzuarbeiten. Die körperliche und mentale Belastung zwingt mich immer in eine Pause. Da ich das weiß, habe ich mich auch nicht so sehr geärgert.

5. Tag

Über Nacht circa zwölf Zentimeter Neuschnee. Ich bin unsicher, was mich im Lager erwartet. Zur Begrüßung ein über Nacht in den Vetkenneln draußen verstorbener Chow-Chow. Der Schnee gibt dem Lager dennoch einen freundlichen Anstrich. Der Kot ist überdeckt. Nur in den komplett überdachten Kenneln ist der Zustand jetzt besonders schlecht: Der Schnee schickt seine Nässe auch dorthin, aber eben nicht seine hilfreiche Wirkung. Hunde mögen zumeist Schnee, ist hier nicht anders: Manche spielen damit, manche wälzen sich mit Inbrunst. Es geht kaum Wind, alles in allem eine gute Witterung, stelle ich fest. Für die Hunde und auch für mich. Wenn der Schnee taut, wird es allerdings heftig für die Hunde werden.

Vet Catalina bittet mich nach einer Hündin zu schauen, die für den nächsten Trapo einen Ausreiseplatz hat, die sie aber nicht findet. Ich finde die junge hübsche Hündin: Sie liegt in einer Hütte und krampft leicht. Vet Catalina behandelt sie und wir legen sie in einen Käfig im Container. Keine äußeren Verletzungen. Wir schauen uns in die Augen und versichern uns gegenseitig, sie wird genesen bis zum Transport, und hoffen ganz fest darauf. Als ich eine Stunde später wieder nach ihr schaue, ist sie tot. Ich notiere die Ohrmarke und lasse sie ins Kühlhaus bringen. Gerechtigkeit gibt es nicht, Schicksal auch nicht. Es ist einfach, wie es ist. In all den Jahren im Tierschutz ist mir die Trauer um tote Tiere gänzlich abhandengekommen. Ich brauche meine Kraft für die Lebenden: Mit ihnen leide ich, für sie strenge ich mich an, so sehr ich nur kann. Auf der Regenbogenbrücke müsste ständig massiver Stau sein, wenn sie nicht nur für Hunde und Katzen, sondern für alle Tiere da ist. Ein Blick auf die Schlachtzahlen in Deutschland zeigt schnell: Es gibt kein „run free“.

Also kurzer Spaziergang mit Janu – von mir benannt nach dem Januar, denn er hätte den Februar hier nicht mehr erlebt. Er ist einer der zwölf HTV-Hunde. Er ist jetzt in einem Käfig untergebracht. 

Ihm würde ich gerne erklären können, warum ich nach dem Wochenende nicht mehr da sein werde und dass er einfach weiter kämpfen muss, bis wir uns in Hamburg wiedersehen.

Er schaut mich an als wollte er sagen: „Mach‘ Dir keinen Kopf, ich bin doch jetzt bei Dir.“

Dann bringen Lieferwagen Spenden von Supermärkten. Für die Supermärkte eine gute Sache: Sie brauchen die tierlichen Lebensmittel nicht entsorgen, bekommen stattdessen sogar eine Spendenquittung. Es sind Massen von guten Fleisch-, Wurst- und Milchprodukten – wenige Tage abgelaufen, völlig in Ordnung. Ich stehe zwischen diesen Leichenbergen aus Schwein, Rind, Huhn und was weiß ich noch. Es ist der „besondere“ Abfall der Feiertage: Man musste es sich doch gutgehen lassen zum Fest der Liebe mit besonders viel Fleisch und da haben die Supermärkte wohl ordentlich aufgerüstet. Die Tiere sind nicht für die Hunde in Bucov gestorben, sondern für die menschliche Gier und Gefräßigkeit. Ich werde den Rest des Tages die noch lebenden Elendsgestalten mit den toten Elendsgestalten füttern. Ich fülle Kiste um Kiste mit Junghundemischung: Käse, Sülze, mildgeräuchertem Fleisch, Eimer mit Hühnchenwurst für die Kranken und Kleinen in den Vetcontainern, Kisten mit Würsten für die Erwachsenen. Stunde um Stunde. Aniela verteilt, ihr Mitarbeiter Alex und später auch Tierschützerin Elena helfen mit. Vet Irina versorgt ihre Patienten wie den alten Husky, der auf Menschen eigentlich gut und gerne verzichten kann, auch mit extra Portionen. Beim Füttern in den Kenneln muss man schnell genug verteilen, damit keine Kämpfe entstehen, und dabeibleiben, bis der letzte Rest aufgegessen ist. Trotz allem eine anrührende Arbeit. Der Gedanke an (zusammen mit dem Trockenfutter, das gleich morgens verteilt wurde) volle Bäuche und die willkommene Abwechslung tut gut. Und jeder der Hunde in einem Kennel steht auf und möchte etwas haben und bekommt ‚was. Gerade für die Hauthunde, die der Witterung nicht viel entgegenzusetzen haben, ist das eine richtig gute Sache. Auch unter den „free in the yard“-Hunden spricht sich unsere Aktivität rum und sie bekommen auch Futterlieferungen.

Das Traurige nur: Die Arbeiter würden diese Arbeit niemals machen, selbst wenn sie Zeit hätten. Die Plastikverpackungen entfernen, die Holzstäbchen aus den Würsten ziehen und portionieren, sodass kein großer Kampf um ein Stück entstehen kann. Sich ruhig zu den Hunden stellen bei der Fütterung und Konflikte gar nicht erst aufkommen lassen. „Na ja, aber die Arbeitsmoral ist auch nicht nur in Rumänien schlecht, auch bei uns gibt es so ’ne und solche“, denke ich mir und schneide fröhlich weiter für die Junghundekennel Stückchen um Stückchen zurecht.

Es gibt hier jeden Tag Einzelschicksale, die betroffen machen – heute mich besonders die Mutterhündin, die die Hundefänger mit Betäubungsmittel abgeschossen habe und die nun ständig wackelnd mit ihren zwei ganz jungen Welpen in einer Hütte liegt und versucht auf die Beine zukommen. Es gelingt mir sie mit einer Futtermischung aus Welpentrockenfutter und Käse zu beruhigen. Sie fängt vorsichtig an zu essen und entspannt etwas, die Welpen trinken. Keine Ahnung, ob die danach auch ein bisschen betrunken sind.

Zwischendurch ist Direktor Sandu aufgetaucht – in Büroschuhen, was mich nicht hindert ihn zu einem kleinen Rundgang zu bewegen. Wir sprechen über die Reinigungssituation in den Kenneln (die Feiertage seien schuld, dass es so schlimm ausgesehen habe). Etwas bitter muss ich innerlich eingestehen, dass wir da auch so unsere Probleme im Hamburger Tierheim hatten. Andere Dimension, gleiche Situation. Der Lagerleiter, Mister Poenaru, wird zum Gespräch dazugeholt und muss Zusagen machen. Wir verständigen uns darauf, dass es unterschiedliche Reinigungszyklen für die Kennel geben muss: Welpen täglich, überfüllte Kennel alle drei Tage, große Kennel mit angemessener Hundezahl einmal die Woche. Ich schlage vor, es farblich im Bucov-Plan zu kennzeichnen. Derzeit ist die Arbeitsorganisation so, dass jeder Arbeiter seinen Bereich hat. Na ja, und manche sind gut und fleißig und manche eben nicht. Jedenfalls verspricht er mir, es wird besser …

Ich werde auf Verbesserungen wie die neue Heizung in den innenliegenden Vetkenneln aufmerksam gemacht. Ich zeige meine Anerkennung.

Wir sprechen über ausstehende Reparaturen, absolut dringend benötigte neue Liegebretter für die Vetkennel und die Verteilung der gelieferten Hundehäuser in die Kennel sowie den Umgang mit den Supermarktspenden. Ich werde ProDogRomania e.V. zu den Absprachen berichten und deren Bautrupp, der Ende Februar für ein paar Tage hier sein wird, kann kontrollieren, ob irgendwas davon umgesetzt wurde. Ich habe diese Kontrolle angekündigt.

Dann kommen noch die Hundefänger mit neuen Hunden: Zwei total freundliche Hunde, die der Eigentümer nicht mehr wollte und die dort abgeholt wurden. Jetzt sitzen sie mit anderen in einem Vetkennel draußen und sind fassungslos. Nein, sie haben nichts verbrochen, sie haben nichts falsch gemacht. Es ist einfach, wie es ist. Aber das kenne ich ja auch aus Hamburg. Andere Dimension, gleiche Situation.

Nun habe ich nur noch zwei Tage. Ich habe zugesagt, morgen eine Liste zu machen, in welche Kennel die Hundehütten zu verteilen sind. Alle Beteiligten haben mir wiederum zugesagt, meine Verteilung zu akzeptieren und die Verteilung dann in den nächsten zwei Wochen vorzunehmen. Danach werde ich mich weiter durch die Fleischberge schneiden. Messer habe ich dafür heute Abend jedenfalls schon mal gekauft.

Ihre Sandra Gulla

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Abschlussbericht zu meiner fünften Tierschutzreise

6. Tag 

Dank Spenderinnen von meinem kleinen Tierschutzverein Mit Tieren leben e.V. konnte ich eine Reihe von verschiedenen hochwertigeren, dringend benötigten Werkzeugen kaufen. Und wir setzen Messer und Axt gleich bei der Fleischberge-Verarbeitung ein. Wir füttern aber auch warmen Brei für die Welpen: Milchpulver, Flocken und heißes Wasser machen Baby-Bäuchlein rund und warm. Aniela rührt Mengen davon an.

Vor der Fleischfütterung müssen die Hunde in den Zwingern unbedingt ausreichend Trockenfutter bekommen haben, sonst kann man die Kämpfe nicht unterbinden. Das Fleisch darf nur ein ‚Extra‘ sein. Und das Trockenfutter wird auch von den meisten gut angenommen, sogar von einem Hund, dem der größte Teil des Oberkiefers fehlt – ein gelassener, tapferer Kerl.

Rattenjagen ist ein großes und sehr nützliches Hobby der Hunde auf dem Gelände, auch in den Zwingern – und mir gefällt diese Art der Bestandsregulierung viel besser, als die doofen Giftköder, die auch immer mal wieder verteilt werden.

Am Wochenende kommen auch rumänische ehrenamtliche Helferinnen in das Lager, etliche von ihnen seit vielen Jahren. Nur selten in den Jahren hab ich mal einen Mann gesehen, aber das ist ja weltweit im Tierschutz so, dass die Männer extrem unterrepräsentiert sind. Meist haben die Helferinnen sich einige Hunde oder einige Zwinger ausgesucht, in denen sie jedes Wochenende versuchen, für Ordnung zu sorgen und etwas Besonderes zu füttern. Das Lager ist so groß, die Menge an Hunden so unfassbar, dass ich verstehe, warum sie sich für die wenigen Stunden am Wochenende auf eine kleine Gruppe beschränken.

Den beiden Helferinnen vom Samstag ist es ein großes Bedürfnis, mir für alle Hilfe aus Deutschland zu danken: für das Futter, die Hundehäuser und die Adoptionen, die Tierärztinnen und die Medikamente, die Kastrationen und den Einsatz vor Ort. Ich erkläre ihnen, dass der Dank der Organisation ProDogRomania gebührt und ich ihn gerne überbringen werde. Sie sagen mir, dass schon lange nicht mehr so viel gereinigt wurde und es so erträglich war, wie derzeit – und das wäre nur so, weil ich vor Ort wäre. Das beschämt mich und macht mich traurig. Ich träume kurz wieder von dem Lottogewinn, der mir ermöglichen würde, nur noch für den Tierschutz zu arbeiten. Die Idee der beiden ist aber eine andere: Ich solle doch bitte Videokameras auf dem Gelände installieren und mich immer, wenn es dreckig ist, aus Deutschland melden und allen Beine machen. Eine köstliche Idee, die mich erheitert.

Es erheitert mich auch, dass die Hunde die Sonne genießen, so wie ich. Die klare Kälte mit keinem bis mäßigem Wind und Sonne dazu – das ist mein absolutes Wohlfühlwetter. Man behält trotz allem einen sprichwörtlich kühlen Kopf. Die Hunde sind sehr erfinderisch bei der Suche nach guten Liegeflächen – wie zuhause.

In den sogenannten Ankunftszwingern schauen, schreien und singen mir seit Tagen zwei Hunde hinterher, denen ich versucht habe, bei ihrer Ankunft im Lager beizustehen. Die Ankunftszwinger sind schlauchartig gebaut und immer total überfüllt. Erst wenn die Hunde geimpft und kastriert sind wandern sie weiter im Lager. Der grauenvollste Ort – daneben sind sogar die Vetkennel für mich erträglich.

Mit Anielas Unterstützung und einem Arbeiter hole ich „meine beiden Hunde“ aus diesem Martyrium. Ich merke deutlich, ich würde es mir nicht verzeihen abzureisen, ohne aus ihnen Individuen gemacht zu haben, die ich später wiederfinden kann. Nicht gerecht, vielleicht nicht mal sinnvoll, aber für meine innere Stabilität nötig. 

Wir brauchen keine Fangstange, beide vertrauen mir. Die beiden werden bis zur Kastration in den außenliegenden Vetkenneln untergebracht und sofort geimpft – Kastration dann beim nächsten Kastrationstag. Ich verspreche Aniela die beiden in Hamburg aufzunehmen, sobald es uns möglich ist. Ich notiere die Ohrmarkennummern.

Janu mag nicht in seinen Käfig machen und so pinkelt er erstmal ein ordentliches Loch in den Schnee, immer wenn ich ihn aus dem Käfig hole.

Wir verbringen zusammen unsere kurze Mittagspause, er bedient sich an den Fleischbergen, ich halte dagegen. Ein veganes Lichtlein, ich muss kichern.

Janu isst mit Verstand, wenn er satt ist, hört er auf. Einen Brocken Fleisch versucht er aber immer für später zu sichern: Gerne würde er ihn vergraben, aber ich weiß, dass macht keinen Sinn, also muss er seinen Brocken mit in den Käfig nehmen. Einige der vermittelten Rumis, auch meine eigenen Hunde, zeigen noch eine Weile das Verhalten, dass sie Essen bunkern möchten. Bei mir wurde es im Garten vergraben, was völlig ok war, aber auch schon mal in meinem Bett oder in den Topfpflanzen. Wenn sie merken, es gibt jeden Tag etwas Leckeres zu essen und Hund muss nie mehr hungrig schlafen gehen, hören sie zumeist mit diesem Verhalten auf.

7. Tag 

Am Morgen Äpfel vom Frühstücks-Buffet des Hotels für die Bucov-Pferde: Unglaublich was für genügsame Wesen Pferde doch sind – und der Mensch missbraucht sie auf alle möglichen Arten. Eines der Pferde ist auch Kutschpferd für einen der Lagermitarbeiter der außerhalb von Ploiesti wohnt, in einem Häuschen ohne Strom. Immer wenn ich hier die Arbeiter hab reiten sehen ohne Sattel und Zaumzeug – und auch wenn ich sehe, wie Marinica das Pferd anspannt und mit ihm nach Hause fährt – denke ich, von diesem Können sind die allermeisten Wohlstands-Reiter Meilen entfernt und werden es nie erlangen.

Danach wieder mit Janu Löcher in den Schnee pinkeln und nachschauen wie es „meinen“ beiden Hunden in den Vetkenneln geht. Sie sehen schon viel entspannter aus, obwohl es auch hier viel zu voll ist.

Janu wartet immer brav auf mich. Aber er kann nur ein Viertelstündchen draußen bleiben, sonst wird es zu kalt für ihn, da er ja jetzt den Käfig im warmen Container gewöhnt ist.

Viele Fotos gibt es nicht vom letzten Tag, denn wir haben weiterhin Kiste für Kiste mit Fleisch und Wurst gefüllt. Auch heute waren wieder ehrenamtliche rumänische Helferinnen im Lager: Ich habe sie alle gefragt, ob sie uns helfen bei der Fleischfütterung – und ihre „betreuten“ Hunde wurden dann von uns gemeinsam als erstes versorgt. So waren wir fünf Frauen, die geschnitten, geschleppt, geschoben und verteilt haben bis zum Sonnenuntergang. Zwischendurch haben Aniela und ich schnell mein Versprechen an die Öffentlichkeitsarbeit des HTV eingelöst, auch mal Fotos von mir zu liefern. Wir haben diese an den Außenvetkenneln gemacht. Ich habe dort in jedem Zwinger gefüttert, aber dabei zu fotografieren ist nicht angemessen, denn man muss sich auf die Tätigkeit konzentrieren.

Neun Tage vor Ort, zwei in dem Hundelager Campina und sieben im Hundelager Bucov, haben mich gefordert, aber ich konnte auch viele kleine Momente abspeichern, die mir die Kraft geben im Tierschutz weiter zu machen. Ob am Ende alles gut wird, ob wir etwas erreichen – keine Ahnung. Ich tue was ich kann und ich weiß, hätte ich nur noch eine kurze Zeit zu leben, würde ich in einem Tierheim meine Zeit verbringen. Wüsste ich das morgen die Welt untergeht, würde ich heute einem Tier helfen, das meine Hilfe braucht. Für mich ist das richtig. Was es für andere ist, kann ich nicht beeinflussen.

Ihre Sandra Gulla

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