Sandra Gullas Rumänienreise Sommer 2016
Reisebericht, 1. Teil aus dem Hundelager Bucov – Vieles ist besser, aber noch lange nicht gut.
25. Juli 2016
Das erste Wochenende im Hundelager Bucov liegt hinter mir und jetzt am Sonntagabend schreibe ich meinen ersten Reisebericht. Zunächst: Die vielen lieben Wünsche, die mich erreicht haben und mich nun begleiten, haben mich sehr berührt. Ich bedanke mich aufs Herzlichste auf diesem Weg dafür. So fühle ich mich auch sehr motiviert, über diese Tierschutzreise zu berichten für die, die bereits anteilnehmen und für die, die sich ein Bild machen wollen von der Reise, aber auch von den Bedingungen in dem staatlichen Hundelager, aus dem die Hunde stammen, die der HTV seit dem Jahr 2014 regelmäßig im Rahmen seines europäischen Tierschutzprojektes aufnimmt.
Ich vermag hier nicht das Große und Ganze zu erklären, ich versuche Sie ein bisschen mitzunehmen und freue mich, wenn Sie Interesse haben, auch an den Reiseberichten der letzten Jahre und so hoffe ich, dass sich ein Bild für Sie zusammenfügen kann.
Bucov hat mich wieder! Und so sehr ich mich auch immer wieder über mich selbst wundere, ich freue mich hier zu sein. Ich war ein wenig überrascht, wie schnell ich mich wieder zurechtgefunden habe und in die Arbeit einsteigen konnte, so kann ich auch nach zwei kurzen Tagen – denn am Wochenende schließt das Hundelager auch für uns Tierschützer zwischen 12 und 13 Uhr – doch schon ein bisschen was berichten:
Etliches hat sich zu 2014 und 2015 verbessert!
Die Wassersituation ist deutlich besser, alle Ausläufe und Zwinger waren an diesem Wochenende regelmäßig mit Wasser versorgt. Dank ProDogRomania e.V. gibt es Wasserwagen, Wassertröge. Egal, welche Arbeit man hier macht, auf bestimmte Umstände, eben zum Beispiel ob die Hunde bei der Hitze Wasser haben, achtet man alsbald reflexartig.
Wo Wasser- und Futtertröge fehlen oder kaputte zu ersetzen sind, hoffe ich in meiner Zeit hier zu erfassen und soweit Material vorhanden ist, werden wir es verteilen. Aber die Arbeitsorganisation bei der Wasservergabe ist offensichtlich besser geworden, es funktioniert besser und zuverlässiger. Von zwei Wasser-/Futterwagen, die ich mit kaputten Rädern gefunden habe, wurde heute am Sonntag bereits einer repariert.
Es gibt deutlich mehr Dächer über den Ausläufen, besonders dank der Bautrupps aus Deutschland, an denen zum Teil auch HTV-Mitglieder beteiligt waren. Aber der erforderliche Witterungsschutz ist immer noch ein großes Thema, jetzt brauchen die Hunde überlebensnotwendig Schattenplätze, in den anderen Jahreszeiten Schutz vor Regen und auch Schnee. Für einen Auslauf mit einer Mutterhündin und zwei Welpen, die neu im Lager sind und in den neuen „Ankunftsausläufen“ sitzen, haben wir heute provisorisch mit Plane etwas Schatten geschaffen. Aber das hilft nur kurzfristig. Ehrenamtliche Bautrupps bringen eine nachhaltige und tolle Hilfe für die Hunde, es ist so klasse, wenn sich dafür Aktive finden.
Die Müllsituation ist besser, das heißt, es liegt weniger Müll auf dem Gelände und das sogenannte Vethaus, in dem sehr viele Hunde untergebracht sind, wird kontinuierlicher gereinigt und so hat sich die sehr schwere Situation für die dort eingepferchten Hunde etwas verbessert.
Ein weiterer Grund, neben des kontinuierlichen Einsatzes von ProDogRomania e.V., für die Verbesserungen könnte sein, dass nun ein Verwaltungsdirektor für das Lager zuständig ist, der auch in der Woche vor Ort ist und die Lagerleitung nunmehr den Vorgesetzen zumindest zeitweise vor Ort hat.
Direktor Sandu und ich haben ganz weltmännisch Karten ausgetauscht, eine etwas absurde Situation inmitten des Gestanks und Lärms, den so viele Hunde nun mal verursachen und den kein Bild einfangen kann. Aber ich habe mich gefreut, dass er mich gleich am Samstag begrüßt hat und Interesse am Austausch bekundet hat. Der erste Tag macht auch mich aufgrund der Vielzahl der Eindrücke, der scheinbar unendlichen Menge an Hunde-Gesichtchen, in die man schaut und die einen so aufmerksam beobachten, etwas sprachlos und so bin ich froh, dass wir den Austausch dann in den kommenden Wochen intensivieren können.
Aber bitte, immer wenn ich schreibe, etwas ist besser, heißt das noch lange nicht, es ist gut. Bucov ist und bleibt ein staatliches Hundelager. Die allermeisten Hunde werden hier bis zu ihrem Lebensende bleiben und häufig genug ist das schnell erreicht, auch ohne systematisches Töten. Drei tote Welpen und ein zur Hälfte von anderen Hunden aufgegessener Junghund sind meine Bilanz der ersten zwei Tage und natürlich sehe ich nicht alle toten Hunde.
Es sind die Begegnungen, die für mich trotz aller Belastungen jede Tierschutzreise zu einer besonderen und auch schönen Erfahrung werden lassen.
Eine Begegnung hat mir am Samstagmittag kurz die Fassung genommen und ich stand an diesem so widersprüchlichen Ort mit Tränen vor einem Auslauf. Mit Freudentränen. Der alte Kerl! Ich habe am ersten Tag den alten Kerl wiedergetroffen. Niemals hätte ich gedacht, dass er hier ein Jahr durchhält. Alle, die ich in dem Jahr gebeten hatte, nach ihm Ausschau zu halten, hatten mir nichts berichten können. Und nun sehen wir uns wieder, in den ersten Stunden in Bucov. Ich habe dann bei ihm im Auslauf eine kurze Pause eingelegt, er lebt dort mit drei weiteren Hunden, der Auslauf ist einer der besseren. Er erschien mir nicht unzufrieden. Er ließ sich von mir anfassen, etwas streicheln, fand das interessant, aber er ist auch schnell brummelig. Ein alter Kerl eben. Sein körperlicher Zustand ist schlecht und so war es gut, dass er seine Hütte verlassen und sich mir gezeigt hatte. Ich habe die Tierärztin Catalina gebeten, den alten Kerl zu behandeln. Sie hat sich bei mir bedankt und wird das nun machen. Die beiden durch ProDogRomania e.V. bezahlten Tierärztinnen sind unmöglich in der Lage, den Hundebestand von wahrscheinlich über 1500 Hunden im Auge zu behalten, daher ist ihnen jede Hilfe willkommen. Der alte Kerl wird sein Leben im Lager beenden, aber wenn ich jetzt ein klein wenig dafür tun kann, das es ihm ein bisschen besser geht, freue ich mich. Der alte Kerl macht auf mich nicht den Eindruck, dass es ihm lieber wäre, noch auf den Straßen um sein Leben kämpfen zu müssen und ein betreutes Zuhause hatte er wohl eh nie. Aber vielleicht ist alles auch anders und er hat sich nur in sein Schicksal gefügt.
Auch die Begegnungen mit Menschen sind ein wunderbarer Teil einer Tierschutzreise. Es ist gut, dass ich wieder Aniela und Mihaela unterstützen kann, von beiden werde ich sicher noch viel berichten. Jetzt am Wochenende waren aber auch viele rumänische Tierschützerinnen zum Arbeiten im Lager. So konnten Elena und ich uns aufs Herzlichste begrüßen und ich konnte ihr mit Übersetzungshilfe berichten, dass unsere Hunde, die wir im letzten Sommer zusammen in elendigem Zustand eingefangen hatten, sich nicht nur im Hamburger Tierheim weiter erholt hat, sondern auch recht schnell, obwohl sie eines der Sorgenfellchen war, die wir aufgenommen haben, Adoptanten gefunden hat. Da hatte nun Elena Tränen in den Augen.
Unter den etlichen Frauen, die an ihren Wochenenden für die Hunde im Lager ehrenamtlich arbeiten, war heute auch ein junger rumänischer Mann. Ein Anfang, vielleicht.
Die allermeisten der rumänischen Tierschützerinnen kannte ich schon aus den Vorjahren und es ist, als ob man alte und gute Bekannte trifft. Jede macht so gut sie kann und was sie kann. Keine Zeit für viele Worte oder gar Auseinandersetzungen, sondern einfach arbeiten. Ich merke, dass sie sich freuen, mich zu sehen und ich freue mich über deren unermüdliches Engagement unter so schwierigen Bedingungen. Und so ist dann das Hundelager Bucov auch mal ein Ort der Freude.
Aber auch eine neue Bekanntschaft begeistert mich. Emily ist für sechs Wochen als Volontärin von ProDogRomania e.V. im Hundelager im Einsatz. Sie ist eine junge selbstbewusste Frau, die richtig anpacken kann und anpackt. Als Tierarzthelferin bringt sie nötiges Grundwissen mit, aber viel wichtiger sind ihre Haltung zur Arbeit und ihr unerschrockenes Engagement. Einen Satz von unserem ersten Abend werde ich nicht vergessen. Sie sagte sinngemäß: Das hier ist schon anstrengend und belastend, aber diese besondere Erfahrung werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich denke sogar, diese Erfahrung wird ihr Leben verändern, sie weiß jetzt einmal mehr, was sie zu leisten in der Lage ist und wie wesentlich es sein kann, wenn sie sich für etwas wirklich einsetzt.
Eine Frage der Vorsitzenden von ProDogRomania e.V kann ich bereits nach diesem Wochenende beantworten: Ja, die Anschaffung weiterer Hundetransport-Wagen erscheint mir als sinnvoll. Ein solcher Wagen ist im Einsatz und Vet Catalina nutzt den Wagen regelmäßig, um Hunde auf dem Gelände zu transportieren. Aber auch erste Einsätze durch die Arbeiter konnte ich beobachten. Der Einsatz solcher Wagen könnte eine erhebliche Erleichterung für die Hunde bedeuten, die dann nicht mehr unter Einsatz der Fangstange über das Gelände geschleift werden würden und dabei Todesangst ausstehen und teilweise heftige Verletzungen erleiden. Ich könnte mir vorstellen, dass die Arbeiter die Wagen nutzen, weil es auch für sie einfacher ist. Die Veränderung dieser Arbeitsabläufe wird Zeit brauchen, mit Widerständen ist zu rechnen und ständige Erinnerungen von Aniela und Mihaela oder auch dem Direktor werden nötig sein, aber es besteht die Chance, dass sich der Umgang mit den Hunden dadurch wieder ein wenig verbessert.
Heute war nicht nur Sonn-Tag im wahrsten Sinne des Wortes: Wir haben hier Temperaturen gut über 30 Grad bei meist wolkenfreiem Himmel. Heute war auch Roxy-Tag! Tierarzt Paul Popescu und ich hatten gestern besprochen, dass die große Hündin Roxy dringend geschoren werden muss. Vet Popescu, wie wir ihn hier nennen, hat viele der Transporte nach Deutschland als 1. Fahrer begleitet und so konnte ich ihn schon oft in Hamburg begrüßen. Vet Popescu hat eine richtig gute Schermaschine aus seiner Praxis mit ins Lager gebracht und mich gebeten, ihm zu assistieren, was dann so richtig gar nicht nötig war, denn Roxy ist eine unfassbar brave und liebevolle Hündin. Roxy ist einer von den so vielen Hunden, die alle Lügen strafen, die nicht müde werden zu behaupten, von der Straße in die Lager kämen nur Hunde, die für ein Zusammenleben mit Menschen nicht „gemacht seien“.
Oft kommen Hunde allerdings in einem sehr schlechten Fell- und Pflegezustand nach Deutschland und das wird auch die Regel bleiben. Roxy hatte zweifach Glück: Vet Popescu und ich hatten die Zeit, diese Arbeit zu tun und, sehr wichtig, Roxy haust in einem der engen Außenzwinger des sogenannten Vethauses mit nur drei weiteren Hunden. Hier konnten wir genau schauen, wie die anderen Hunde nach der Schur auf sie reagieren. Denn ein geschorener Hund wird von seinen bisherigen Zwingerkollegen anders wahrgenommen. Die Körpergestalt ist gänzlich anders und auch der Geruch ändert sich schlagartig und so kann es ohne Beobachtung zu schweren Kämpfen in einer Gruppe kommen. Daher ist, trotz des Bedarfes, die Befreiung von Roxy eine Ausnahme. Ihre Hauterkrankung kann jetzt gut behandelt werden und auch die Bisswunden, die sie davongetragen hat, als sie in einem der großen Ausläufe war, können jetzt besser behandelt werden und schneller heilen. Ich hoffe sehr, Roxy findet ganz schnell Adoptanten oder einen Platz in einem Tierheim.
Jeder Tag hier lässt mich nur inniger wünschen, nie in meinem ganzen Leben zu den Menschen zu gehören, die meinen, man könne eh nichts ändern bzw. die, wenn sie nicht gleich die Welt verändern können, erst gar nicht damit anfangen es zu versuchen, aber ich möchte auch niemals zu denen gehören, die immer genau wissen, was die anderen zu tun haben, die Rumänen, die Politiker, die Unternehmen, die anderen Tierschützer, die Gerichte. Ich tue lieber, was ich kann. Dazu gehört auch, Ihnen so gut ich es vermag zu berichten, bald, wenn Sie mögen, wieder.
Ihre Sandra Gulla
Für die Bildergalerie des ersten Teils des Reiseberichtes bitte auf das erste folgende Bild klicken:
Reisebericht, 2. Teil
Mein Bericht besteht diesmal insbesondere aus den Bildern der letzten Tage. Ich kann mit den Bildern so viel erzählen und tatsächlich fehlt mir an den Abenden nach dem Hundelager und nach dem Aussuchen der Bilder die Kraft für genaue Berichte. Aber zu manchen Umständen möchte ich dennoch einige Worte machen.
Alle Hunde in meinen Bildergalerien, die einen Namen haben, finden Sie in der Vermittlungsgalerie von ProDogRomania e.V. Eine Ausnahme ist Ira. Ich habe heute gesagt, wenn die Hundefänger einmal was richtig Gutes getan haben dieser Tage, dann bei Ira. Ich denke sie ist froh, im Lager zu sein. Nie zuvor hat diese alte Hündin, die vielleicht ihr ganzes bisheriges Leben an der Kette verbracht hat, so viel Zuwendung erfahren, wie in den letzten Tagen. Ich habe Ira das Versprechen gegeben, wenn sie nun die erste Zeit im Lager überlebt, dass sie einmal erfährt, was es heißt, liebevoll umsorgt zu werden und sie nach Hamburg ausreisen kann. Aber dahin ist es noch ein Weg. Ira ist in schlechter Verfassung, sie wurde sicher noch nie geimpft. Sie konnte nicht wie andere Neuankömmlinge kastriert werden. Für alte Hunde endet eine Ansteckung mit einer der vielen im Lager vorhandenen Erkrankungen häufig tödlich, insbesondere die Staupe. Nur junge Hunde haben eine, wenn auch geringe Überlebenschance. Die Tierärztin Irina hat Ira auch gleich ins Herz geschlossen und daher habe ich sie auch mit einem ähnlichen Namen versehen. Irina wird nun auf Ira achten und mir Bescheid geben, wenn Ira nach etwas Genesung und Impfungen reisefähig geworden sein sollte.
Eine wichtige Aufgabe ist die Erfassung der Hunde, es ist ihre einzige Chance das Lager zu verlassen. Bei der großen Hitze kein einfaches Unterfangen, denn die Hunde bleiben auf ihren Schattenplätzchen, soweit sie einen erobern konnten, sie sind müde und hecheln ständig, so dass die Fotos sie nicht wirklich gut wiedergeben. Also braucht man Ausdauer, um mal wirklich ein paar gute Bilder zu machen, denn nur ein ordentliches Foto bedeutet die Möglichkeit auf ein Leben außerhalb des Lagers. Oft wünsche ich mir, dass Adoptanten anders an die Auswahl ihres Hundes gehen, dass sie ein Anforderungsprofil benennen, das zu ihren Lebensumständen passt und dem, was sie zu leisten bereit sind und dann einfach den Hund nehmen, der dazu passt. Meist wird nach dem Aussehen ausgesucht und es erscheint mir zumindest, wenn ich hier bin, manchmal recht absurd wie vorgegangen wird. Muss es immer Liebe auf den ersten Blick sein?
Ich denke auch, damit schlagen wir den falschen Weg ein. Ich habe stets Sorge, wohin Entwicklungen im Auslandstierschutz gehen. Ich halte weder private kleine Tierheime oder Auffangstationen für die Lösung, noch halte ich die Entwicklung dahin für wesentlich hilfreich. In den staatlichen Lagern muss sich ein Wandel vollziehen. Daher hilft der HTV im staatlichen Hundelager Bucov.
Ich halte es auch für problematisch, wenn der Tierschutz durch kleine Stationen, in denen Welpen und Junghunde gepäppelt werden können, einerseits die Hundebestände erhöht und andererseits das Signal gibt, der Tierschutz ist an diesen Tieren besonders interessiert.
Es besteht dann die berechtigte Sorge, dass dann weniger Interesse besteht, das Übel an der Wurzel zu fassen. Der HTV nimmt weder Welpen noch besonders viele Junghunde auf, auch da es für mich eine unsägliche Vorstellung ist, dass diese Hunde dann eventuell weitere Nachkommen in Deutschland bekommen. Wir nehmen in aller Regel nur kastrierte Hunde auf. Und hier im Lager sehen mich die Arbeiter und Verantwortlichen nicht hauptsächlich bei den Welpen. Diese haben hier trotz aller Verbesserungen nach wie vor schlechte Überlebenschancen und ich möchte mir auch nicht vorstellen, wie es hier aussähe, wenn wir das grundlegend verändern würden. Die Hunde, die ausreisen sind nur ein kleiner Bruchteil, die allermeisten Hunde verlassen das Lager nicht lebend.
In dieser Woche haben wir zweieinhalb Kastrationstage und nichts ist wichtiger. Keine Vermehrung mehr im Lager und wenn das Standard und Routine geworden ist, dann müssen alle Beteiligten überzeugt werden, das wir raus müssen und die Besitzerhunde kastrieren.
Aber jetzt kommt mir bitte keiner mit dem Hinweis, es müsste sofort eine Kastrationspflicht für alle Hunde in Rumänien geben und die müsste auch streng kontrolliert werden, denn davon träumen wir Tierschützer schon Jahrzehnte im so fortschrittlichen Deutschland und nicht mal in der ach so kultivierten Weltstadt Hamburg hatten und haben die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung ein Interesse an einer Kastrationspflicht für Freigängerkatzen. Aber natürlich fordern wir es in Hamburg wie in Ploiesti, aber nur mit Fordern kommt man nicht weiter. Derweil packen wir mit an, in Hamburg mit unseren Katzenretterinnen und der Kastration von jeder Katze und hier eben auch durch Kastrationen, die Übernahme von Hunden und dem Vorort-Einsatz.
Zwei junge Frauen aus Berlin, Jessica und Sonja, helfen für eine Woche, sie waren nur kurz erschlagen von der Situation und sie haben schnell verstanden, dass hier gänzlich andere Regeln und Maßstäbe herrschen, als in einem deutschen Tierheim. Hier geht es jeden Tag um die Sicherung der existenziellen Bedürfnisse, vielmehr ist nicht möglich. Und ich bin der festen Überzeugung, wir können nur sinnvoll vor Ort helfen, wenn wir es schaffen auf der Grundlage der hiesigen Verhältnisse zu denken.
Die Hunde im Lager brauchen erträgliche Zwingergrößen, täglich Wasser, regelmäßig Futter, Witterungsschutz, Impfungen und tierärztliche Behandlung im Notfall.
Decken oder Spielsachen bringen hier niemanden weiter. Wenn etwas Besonderes hier nötig ist, dann ist es Stroh, im Winter überlebenswichtig, im Sommer hilfreich als Einstreu, aber auch als Beschäftigungsmaterial. Es ist toll zu sehen, wie viel Freude die Hunde am frischen Stroh haben. Als Bodenbelag ist es hilfreich, weil es einfach entfernt werden kann. Ausmisten ist immer noch die einfachste Art zu reinigen, aber dann bitte auch unter den Hütten. Leider sind wir von einem umfassenden Einsatz von Stroh noch weit entfernt und bisher muss es auch durch den Tierschutz finanziert werden.
Zwei der drei jungen Frauen, die jetzt hier helfen, sind Tierarzthelferinnen in Deutschland und die Diskrepanz zu dem, was wir in Deutschland teilweise an Aufwand betreiben und für normal halten, wird ihnen hier sehr deutlich bewusst.
Ich konnte dank der Volontärin Emily und der beiden Tierschützerinnen aus Berlin mit einer „Inventur“ des Lagers beginnen.
Im letzten Jahr konnte ich dank der Volontärin Rabea mit der kompletten und fortlaufenden Beschilderung aller Ausläufe beginnen und tatsächlich haben wir diese Informationen jetzt für die Arbeit vor Ort. Rabea hatte einen Plan des Geländes erstellt und Jessica wird jetzt die neu gebauten oder geteilten Ausläufe hinzufügen. Mit diesem Plan und der begonnenen Inventurliste werde ich in der nächsten Woche zum neuen Direktor gehen und um die Fortsetzung beziehungsweise Ergänzung der Beschilderung bitten. Diese ist nicht nur sehr wichtig für die Erfassung der Hunde, sondern auch für die korrekte Verteilung der so wichtigen Ressourcen wie Wasser- und Futtertröge oder der Hütten, für die ProDogRomania immer wieder sorgt, die dann in den über 160 Ausläufe und Zwingern richtig ankommen sollten.
Wenn unsere Hilfe für die Verantwortlichen vor Ort wertvoll ist, dann akzeptieren sie uns und wir haben Verhandlungsspielraum. Genau darum geht es auch bei der Arbeit von ProDogRomania, neben der Rettung einzelner Individuen.
Regelmäßig muss ich mir anhören, diese Arbeit würde nichts bringen und die Tierschutzprobleme müssten vor Ort gelöst werden. Gerne kommt auch das Schlagwort von der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Einverstanden, aber dafür reicht es nicht, nur Forderungen zu stellen. Dafür muss man Mitwirken vor Ort und ich bin absolut sicher, dass auch die Unterstützung des Hamburger Tierschutzvereins im Hundelager in Bucov wesentliche Spuren hinterlässt, eben weil wir nicht nur Hunde abnehmen.
Mir wird hier gesagt, ja Sandra, jetzt wird auch besonders viel gearbeitet, weil du hier bist. Ist doch gut, wenn das anspornt und man eben auch zeigen will, dass man es kann. Und obwohl ich leider nicht rumänisch spreche, verstehe ich, wenn die Arbeiter sich zuraunen, jetzt machen wir es im German style. Aber wenn das heißt, dass die Hunde im Hundewagen übers Gelände gefahren werden und nicht an den Fangschlingen durch die Gegend gezerrt werden, ist das doch gut.
Und wenn ich beim neuen Direktor sagen kann, wie gut diese Veränderung ist und das ProDogRomania bereit ist, dann auch weitere Hundewagen zur Verfügung zu stellen, dann ist doch was gewonnen für alle.
Ganz klar ist auch für mich, je länger und intensiver die Zusammenarbeit ist, desto mehr kann man bewirken, daher war es für den HTV auch keine Option, mal hier und mal dort Hunde aufzunehmen, denn allein die Hundeaufnahme verändert die Verhältnisse nicht.
Für die Bildergalerie des zweiten Teils des Reiseberichtes bitte auf das erste folgende Bild klicken:
Abschlussbericht zu meiner Reise ins Hundelager Bucov
19. August 2016
Leider habe ich es nicht geschafft, Ihnen früher Bericht zu erstatten. Aber vielleicht gehen Sie doch nochmal mit mir auf die Reise und schauen sich die Bilder an und lesen, was ich dazu berichte. Es ist viel geschehen und es geht weiter voran. So hat sich gerade der Bautrupp vom Mai entschlossen, Mitte Oktober nochmal ins Lager zu reisen und auch nach Baile Herculane wird dann wieder ein Helferteam reisen.
Die wichtigsten Aufgaben für die Freiwilligen werden dann sein: Hütten zu reparieren, neue aufzustellen und Stroh zu verteilen, denn der Winter kommt. Ich freue mich sehr, dass unsere Hilfe so doch kein Tropfen mehr ist, sondern wohl schon ein stetig fließendes Rinnsal.
Ich selbst konnte am 6. Tag zum ersten Mal eine Transportvorbereitung und Abreise miterleben, ein kleiner Transport ging in die Schweiz. Ich mag das, zu wissen: An vielen Orten versuchen viele Menschen, die Welt ein klein bisschen besser zu machen. Die Volontärinnen und ich haben geholfen, die Hunde einzuladen. Und uns dann gefreut, sie in ihr neues Hundeleben fahren zu sehen.
Alte Tiere
Schon wenn alte Tiere in unser Hamburger Tierheim kommen, ist das zumeist bitter. Vor allem, wenn die Angehörigen von alten Menschen zwar gerne das Erbe nehmen, aber für die Tiere dann „keine Zeit“ haben. Ich rate daher stets jedem Tierhalter – unabhängig von dessen Alter – sich zu überlegen, wie die eigenen Tiere, im Falle des eigenen Todes oder der eigenen schweren Krankheit, versorgt bleiben. Manchmal ist es wunderbar, wenn Tiere, die schon länger aufgrund von Gebrechen oder Alter der Halter nicht mehr richtig versorgt werden konnten, zu uns kommen und wir sie wieder aufpäppeln können und sie neue Lebensfreude gewinnen. Aber wenn Halter ihre alte Hündin im Hundelager Bucov abgeben, ist das immer ein unglaubliches Desaster.
Die Leute kamen mit ihrer alten Hündin, die einen großen Tumor an den Geschlechtsorganen hat, und sprachen mit der Lagerleitung, mein Erkenntnisinteresse treibt mich dazu, mich in solchen Situationen immer gleich dazuzustellen. Leider verstehe ich ja kein rumänisch, aber ich achte auf Ausdruck und Körpersprache und verdammt oft, weiß ich dann auch ohne die Worte zu verstehen, woran ich bin. Mir wurde dann übersetzt, die Leute wollten nur, dass mal ein Tierarzt schaut, was mit der Hündin geschehen muss.
Hierzu muss man wissen, dass der beim Hundelager angestellte Tierarzt gar nicht in der Lage ist, Heilbehandlungen vorzunehmen, wahrscheinlich nicht mal in der Lage ist, eine selbst offensichtliche Diagnose zu stellen. Denn seine Aufgaben sind nur, Hunde mittels Betäubungspfeil zu fangen und Hunde zu töten. Da im Hundelager Bucov nicht systematisch getötet wird, hat er wenig zu tun und niemanden dort sehe ich lieber den ganzen Tag unter einem Baum auf einer Bank sitzen. Ich plaudere höflich und erfreue mich an seiner umfassenden Untätigkeit und jeder, der mich auch nur etwas kennt, weiß, dass mich sonst nichts so sehr nervt wie Untätigkeit.
Dass die Leute der alten Hündin nicht zu einem niedergelassenen Tierarzt gegangen sind und die Hündin auch noch an diesem scheußlich stressigen Ort zurückgelassen hatten, ließ meine Hoffnung, dass sie sie tatsächlich nach einem tierärztlichen Rat wieder abholen und versorgen würden, gegen null schwinden. Und ich wurde auch nicht eines besseren belehrt, nach zwei Tagen waren die Leute immer noch nicht wieder aufgetaucht und Mihaela und ich überlegten, wo wir die Hündin im Lager unterbringen können. Sie fand einen Platz im Vethaus.
Es gibt aber auch die anderen Menschen, so saß einen ganzen Vormittag eine ältere Rumänin, einfach, aber sorgfältig gekleidet, mit ihrem älteren Hund auf einer Bank beim Pförtner des Lagers und wartete geduldig darauf, dass Vet Irina Zeit hatte, nach ihrem Hundchen zu schauen. Ich bin sicher, hätte sie das Geld gehabt, einen Tierarzt zu konsultieren, hätte sie es getan. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Finanzierung der Tierärztinnen durch ProDogRomania e.V. auch diese Hilfe für die rumänische tierliebe Bevölkerung ermöglicht.
Praktische Tierärzte
Die Tierärztinnen vor Ort versetzen mich immer wieder in Staunen und man kann diese Arbeit nicht genug wertschätzen.
Hier im Lager, wie überhaupt im Auslandstierschutz, ist mir die Bedeutung der Bezeichnung „Praktische Tierärzte“ erst wirklich bewusst geworden. In meiner Bildergalerie finden sich zwei Fotos einer Obduktion, die Vet Catalina unter freiem Himmel direkt vor Ort vorgenommen hat. Ich habe erst überlegt, ob ich die Bilder der Untersuchung, die ich in vielen Fotos festgehalten habe, veröffentliche. Ich finde es gehört dazu.
Vet Catalina war sehr getroffen als sie die Hündin die sie länger versorgt hat, morgens tot vorfand. Die Hündin hatte auch einen Ausreiseplatz in Aussicht. Catalina war traurig, aber auch ärgerlich, weil sie nicht wusste, warum die Hündin gestorben ist. Und ehe ich es so richtig verstand, hatte sie die Arbeiter beauftragt, die Hündin auf eine Plane zu legen, öffnete den toten Körper und untersuchte die Organe. Verstanden habe ich, dass das Lungengerüst betroffen war und die Hündin an Lungenversagen gestorben ist, darauf kam es mir aber nicht an. Mich hat beeindruckt, dass Catalina wissen wollte, was geschehen war. Sicher – so schätze ich sie ein – wollte sie auch in Erfahrung bringen, was sie vielleicht übersehen hatte, hier bei ihrer Arbeit im Sommer unter freiem Himmel ohne Praxiseinrichtung und im Herbst und Winter in einem Container.
Noch nie habe ich Tierärztinnen erlebt, die ihre Patienten inniger liebkosen und häufiger küssen als Irina und Catalina und ich versichere Ihnen, da sind manchmal Elendsgestalten drunter, die würde so mancher nicht mal ohne Weiteres anfassen wollen. Mag sein, dass der eine oder andere das unprofessionell findet, mir zeigt es, mit welcher Haltung die beiden für die Hunde arbeiten. Mit Liebe!
Wesentliche Informationen
Die beiden jungen Helferinnen aus Berlin gaben in meiner zweiten Woche quasi den Staffelstab an zwei junge Männer aus Hamburg weiter, Ole und Hannes, letzterer HTV-Mitglied und schon zum zweiten Mal in Rumänien, nachdem er bereits im Tierheim von ProDogRomania in Baile Herculane geholfen hat.
Tatsächlich habe ich es gemeinsam mit den jungen Frauen geschafft, eine Inventur des Lagers vorzunehmen. Wir haben Ausläufe, Hunde und Hundehütteneingänge in den Ausläufen gezählt. Wir haben erfasst, wo Futter- und Wassertröge fehlen und wo den Hunden kein Witterungsschutz zur Verfügung steht. Dank der Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit des HTV ist eine Excel-Liste entstanden, die jetzt alle diese Informationen verfügbar macht.
Wir haben 1.301 Hunde gezählt, wahrscheinlich haben wir an die 10 % der Hunde in den Ausläufen nicht gesehen, weil sie sich im Buschwerk, unter Hütten oder Erdlöchern versteckt gehalten haben und diejenigen, die frei auf dem Gelände leben, haben wir auch erst gar nicht versucht zu zählen. Aber dennoch ist jetzt klar, es leben mindestens 1.500 Hunde auf dem Gelände. Es gab im Erhebungszeitraum 164 Ausläufe und Zwinger (ohne das Vethaus), mittlerweile sind schon wieder zwei neue hinzugekommen.
Die beiden jungen Männer haben an diese Arbeit angeknüpft und auf der Basis des Lager-Plans vom letzten Jahr einen neuen, vollständigen und elektronisch verfügbaren Plan des gesamten Geländes, erstellt. Beide grundlegenden Infoquellen werden die Arbeit jedes zukünftigen Helfers vor Ort, aber auch die Arbeit von ProDogRomania erleichtern. Solche Arbeiten sind vielleicht nicht die spannendsten oder die, die man sich sofort vorstellt, wenn man sich zu einem Auslandstierschutzeinsatz entschließt, aber sie sind wichtig und nachhaltig. Und ich schreibe es immer wieder gerne: Auch Aufräumen und Spülen sind wesentliche Tätigkeiten bei einem Hilfseinsatz. Das hat Dagmar, eine Helferin, die aus dem Hunsrück angereist kam, gleich verstanden. Ihr habe ich vor meiner Abreise die weitere Versorgung des alten Kerls übergeben können, er hat also noch ein bisschen länger Fürsorge erhalten können.
Verantwortliche und deren Handeln
Ich habe es ja schon erwähnt, dass für mich eine Aufgabe bei dieser Tierschutzreise dazugekommen ist, die mich angestrengt, aber teilweise auch gefreut hat: Die Gespräche und Zusammenkünfte mit Verantwortlichen. Von Mister Sandu, dem neuen Vize-Verwaltungsdirektor, habe ich schon berichtet und zu sehen, dass er nicht nur redet, sondern auch zu handeln vermag, war wunderbar. Mit dem Sichtschutz in den ersten Tagen hatte er mir einen kleinen Gefallen getan. Als er mich fragte, was aus meiner Sicht als erstes und unbedingt verbessert werden müsste, hätte ich ihm ein Dutzend Dinge aufzählen können. Aber ich weiß, wie ich auf maßlose und unrealistische Anforderungen, die an mich gestellt werden, reagiere, also habe ich ihm tatsächlich nur den aus meiner Sicht schlimmsten Ort im Lager benannt. Die Zustände im Vethaus müssten sich verbessern.
Das Vethaus
Das Vethaus wurde in den 1990er Jahren mit Hilfe von deutschen Tierschützern erbaut und ebenso, wie wir es auch aus Hamburg kennen: kleine Zwinger mit Innenbereich und Außenbereich. Unterkunft für maximal drei kleine oder zwei mittelgroße Hunde, wenn sie regelmäßig raus kommen aus diesen Zwingern. Niemals als Dauerunterkunft geeignet. Aber in Bucov sind das Dauerunterkünfte und die Öffnungen zwischen Innen- und Außenzwinger sind dauerhaft verschlossen, weil auf dem winzigen Raum etliche Hunde leben müssen. Meist sind es um die fünf Hunde in einem „halben“ Zwinger. Drinnen waren fast alle Drahtabgrenzungen zwischen den Zwingern von den Hunden mehr oder weniger zerstört worden, eine ständige Verletzungsquelle und auch schwierig für die Tierärztinnen, weil manche Hunde ständig zwischen den Zwingern hin und her krabbelten, raus kamen sie allerdings nicht.
Ich war erstaunt, dass Mister Sandu bereits am gleichen Tag erste Anweisungen zum Vethaus gab. Ich konnte so miterleben, dass es einer echten Grundreinigung durch die Arbeiter unterzogen wurde. Letzten Sommer hatte ich mit jungen Volontärinnen im wahrsten Sinne der Worte auf Knien dort geschrubbt und seither war wahrscheinlich nicht mehr so gründlich sauber gemacht worden. Zwischenwände aus Metallmatten wurden zugeschnitten, gestrichen und eingebaut. Eine große Belastung für die Hunde, die zu dem Zeitpunkt im Vethaus saßen, aber eine Verbesserung der Gesamtsituation. Ich war froh, dass ich doch einige der Hunde aus dem Vethaus mit auf unseren Transport nehmen konnte, mittlerweile erfreuen sie sich in unserem Tierheim eines so ganz anderen Hundelebens und sicher kann sich kaum einer von den Hunden aus dem Vethaus vorstellen, dass es noch was schöneres als das Hamburger Tierheim geben kann.
Im Vethaus gib es aber noch zwei ganz wesentliche Verbesserungen. Zum einen gibt es dort nun einen Hochdruckreiniger. Sicher ist dessen Verwendung, durch den damit verbundenen Krach und den für die Hunde nicht ungefährlichen Wasserstrahl – denn die Hunde bleiben ja während der Reinigung in den kleinen Zwingern, auch in mancher Hinsicht nachteilig. Aber wie wohl überall auf der Welt, mögen Männer mit Maschinen arbeiten und ich konnte sehr genau beobachten, dass die Reinigungsarbeiten im Vethaus, die im letzten Jahr noch sehr schleppend liefen und auf der Hierarchie-Skala der ernstgenommenen Arbeiten gaaaaanz unten standen, nun von den Arbeitern mit deutlich mehr Enthusiasmus vorgenommen wurden. Alles in allem für mich eine gute Entwicklung.
Die zweite, noch wesentlichere Veränderung: Es ist nun ein staatlicher Arbeiter für das Vethaus zuständig, der nicht nur unermüdlich und sorgfältig arbeitet, sondern auch die Hunde eindeutig sehr mag. Nichts ärgert mich mehr, als Kommentierungen der Situation vor Ort, am besten noch von Leuten, die noch nie da waren, nach dem Motto: Alle sind da faul, die behandeln die Hunde wie Dreck oder sonst vergleichbare Bewertungen. Es ist dort wie hier, man sollte sich jeden und alles genau anschauen und Pauschalbewertungen verbieten sich dann.
Als mich der Arbeiter an einem Tag fragte, ob ich Näpfe für die Hunde im Vethaus hätte, weil er sie nicht mehr auf dem Boden, wie bisher üblich, füttern wollte, musste ich das leider verneinen. Nach der Arbeit im Lager sind wir in ein Warenhaus gefahren, dort habe ich zwanzig Blumentopfuntersetzer gekauft und ein paar Plastikschüsseln. Am nächsten Tag konnte ich ihm helfen und habe mich, wie man so sagt, wie eine Schneekönigin darüber gefreut und das mitten im heißen rumänischen Sommer.
Eine besondere Begegnung mit Verantwortlichen war mein Termin beim Vize-Bürgermeister, gemeinsam mit meiner Tierschutzkollegin Mihaela Teodoru. Teilgenommen haben auch Mister Sandu und seine Vorgesetzte, die für den Zoo und das Hundelager zuständige oberste Verwaltungsdirektorin Laura Moagher. Es war ein langes, ernsthaftes Gespräch auf Augenhöhe.
Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, war im Frühjahr in Rumänien und ich war begeistert, dass er auch das Hundelager Bucov besucht hat. So konnte ich mit, seinem Einverständnis, an seine Gespräche anknüpfen, auch durfte ich für ProDogRomania sprechen.
Es ist sehr schwer, hier nicht nur die Inhalte, sondern auch eine Bewertung des Gespräches, beziehungsweise der sich anschließenden Gespräche im kleineren Kreis abzugeben. Mir erscheint wesentlich: Ploiesti hat als Gemeinde eine Kastrationspflicht für Hunde, die einen Halter haben, erlassen. Es soll Strafen geben, wenn man dem nicht nachkommt. Es besteht großes Interesse an der Unterstützung von Kastrationsaktionen für Hunde im Lager, aber genauso bei Aktionen für Halterhunde. Mir wurde mehrfach versichert, dass die Gemeinde keinerlei Tötungsaktionen wünscht. Auch soll es aus Sicht meiner Gesprächspartner keine Tötungen der frei auf dem Gelände des Hundelagers lebenden Hunde mehr geben. Mir wurde zugestimmt, dass es für die frei auf dem Gelände lebenden Hunde ein Versorgungskonzept geben muss und auch Einzäunungen innerhalb des sieben Hektar großen und bisher nur zum Teil erschlossenen Geländes könnten möglich sein. Ein wichtiger Schritt dafür wurde mit der Reparatur des Außenzauns gemacht, die Hunde auf dem Gelände können so nicht mehr, wie in der Vergangenheit geschehen, in Gruppen durch den angrenzenden Zoo und eine Baumschule streifen.
Mir wurde dargelegt, dass man Interesse hat, das Hundelager zu einem der fortschrittlichsten in Rumänien zu entwickeln. Ich habe allen Ideen, das Lager umziehen zu lassen und gegebenenfalls dafür auch Hilfe vom deutschen Tierschutz zu bekommen, eine sehr deutliche Absage erteilt. Denn das Gelände und die vielen Verbesserungen vor Ort sind eine gute Ausgangsbasis für eine irgendwann mal hundegerechte Einrichtung. Außerdem bin ich zu sicher, dass man die Hunde nicht mit umziehen lassen würde.
In den nächsten Monaten werde ich nun in Deutschland schauen, ob es weitere Unterstützung für das Hundelager Bucov und die Gemeinde durch den deutschen Tierschutz geben kann. ProgDogRomania e.V. wird auf seinem wunderbaren und effektiven Weg der Unterstützung der Hunde in Bucov bleiben, ob andere hinzustoßen wird sich zeigen. Wie sich auch zeigen wird, was dran war, an meinen Gesprächen.
Behördliches Handeln
Einen deutlichen Dämpfer habe ich schon kurz nach den so erfreulichen Gesprächen erhalten. Denn an einem der nächsten Tage erlebten wir im Lager eine Kontrolle durch die Veterinärverwaltung und deren Auswirkungen. Nichts hat mich so an den Rand meiner Selbstbeherrschung gebracht, wie die Auswirkungen dieses behördlichen Handelns. Zum Verständnis, das Lager wird betrieben durch die Kommunalverwaltung, die Veterinärverwaltung ist aber eine landesweit organisierte, davon unabhängige Verwaltung, die die Aufsicht über dieses wie andere Hundelager führt.
Tagelang hatten wir alle unermüdlich und mit voller Kraft gearbeitet, um möglichst viel für die Hunde zu tun und auf einmal hieß es: Wir dürfen nichts mehr tun, nicht in die Ausläufe gehen, keinen direkten Kontakt zu den Hunden haben, nicht fotografieren, denn das ist auf dem Gelände (eigentlich) verboten. Wir verhielten uns selbstverständlich entsprechend, denn das Letzte, was wir wollten, war nun wiederum die Lagerleitung oder die Kommune in Schwierigkeiten zu bringen, eben weil man uns Tierschützer dort machen lässt.
Ausgelöst wurden die Kontrollen durch Fernsehberichte im rumänischen Fernsehen über die unerträglichen Zustände in den Hundelagern. Jetzt wollte man durchgreifen. Und wie immer, wenn Politik und Verwaltung, getrieben durch die Medien, in rechtfertigenden Handlungseifer geraten, wird es absurd, in Rumänien genauso wie in Deutschland. Auch ich wurde – nachdem ich mich wie immer mit aller Höflichkeit bei dem Chefkontrolleur vorgestellt hatte – befragt, was ich von dem Lager halte. Meine Antwort war, dass ich nicht vor Ort bin, um zu urteilen, sondern um unser Wissen und unsere Unterstützung anzubieten und mit anzupacken, um die Verhältnisse zu verbessern. Da wir gerade bei den absolut mangelhaft untergebrachten Welpen standen, wurde ich gefragt, ob es solche Welpenunterbringung auch in deutschen Tierheimen gäbe. Ich erwiderte, dass es das nicht gäbe, aber wir wären hier ja auch nicht in Deutschland. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass meine Kritik an den ohne Frage zu kritisierenden Zuständen im Hundelager Bucov hier an der richtigen Stelle geäußert gewesen wäre.
Die Geschichte mit Diabolo
Und als ob unsere behördlich gewünschte Untätigkeit an dem Tag nicht schon genug Strafe gewesen wäre, passierte auch noch die Geschichte mit Diabolo (Man, wer gibt Hunden so blöde, weil verantwortungslose Namen?), die fast eine Tragödie ausgelöst hätte. Diabolo ist ein kräftiger junger gestromter Rüde, der die Menschen sehr liebt, auch mit anderen Hunden super klar kommt, aber leider ein „Jumper“ ist, also einer der Hunde, die durch Springen und Klettern immer wieder aus den Ausläufen ausbrechen und frei auf dem Gelände umherstreunen. Dabei stets die Nähe des Menschen suchend. Im jugendlichen Überschwang kann er schon mal völlig ungefährlich etwas übermütig werden, so hatte er auch schon Tage vorher an Hannes Hose gerupft und eine Tasche angerissen. Tja, das wiederholte er jetzt ausgerechnet beim überaus gestressten und schlecht gelaunten Chefkontrolleur der Veterinäraufsicht. Nachdem wir von dem „gefährlichen Angriff“ von Diabolo unterrichtet wurden, hat Hannes für den restlichen Tag den „personal trainer“ von Diabolo gemacht, damit er der Veterinärverwaltung nicht mehr unter die Augen kam. Tatsächlich hatte dieser „ungeheuerliche“ Vorgang dann zur Folge, dass wild über das Einfangen der freilebenden Hunde diskutiert wurde und wir nicht ohne Grund Schlimmstes befürchteten.
Resultate der Kontrolle bekamen wir am Tag danach zu spüren. Jetzt sollte nämlich in kürzester Zeit eine Registrierung aller Hunde im Lager vorgenommen werden. Nicht nur eine Hundezählung, wie wir sie ja jetzt einfach zuliefern hätten können. Nein, die Veterinärverwaltung hatte verfügt, dass nun innerhalb von zehn Arbeitstagen alle Hunde nach Geschlecht und mit Ohrmarkennummer aufgenommen werden sollten. Ein schier sinnloses Unterfangen, wie jeder weiß, der in diesem oder einem anderen großen Hundelager schon mal Hunde gezählt oder fotografisch erfasst hat. Aber die Lagerleitung musste und wollte es umsetzen. Zu Beginn der Registrierung spielten sich entsetzliche Szenen ab und ich habe an dem Morgen, laut auf Deutsch fluchend, damit man mich nicht wirklich versteht, versucht, den fürchterlichen Einfangaktionen Einhalt zu gebieten, ich hatte keine Chance. Vet Catalina und ich riefen Mihaela telefonisch zu Hilfe, die als sie kam, dann das veranstaltete was wir untereinander einen „scandal“ nennen. Sie schrie und tobte und schlug fast um sich, die richtige Reaktion. Danach wurden von der Lagerleitung Teams von drei Personen gebildet und die Anweisung gegeben, das Einfangen ruhig und möglichst schonend zu vollziehen.
Die Veterinärverwaltung hat nach meiner Kenntnis zudem verfügt, dass die Ausläufe gereinigt werden müssen. Mal sehen, ob das umgesetzt und kontrolliert wird. Die Wassertröge sollten alle gereinigt werden, eine gute Idee, nur in der Kürze der zur Verfügung gestellten Zeit führte das dazu, dass zwar viele Tröge gereinigt wurden, aber keiner der Arbeiter hatte dann noch Zeit, den Hunden auch Wasser zu geben. Das führte zu einem weiteren berechtigten Ausbruch von Mihaela am folgenden Tag im Gespräch mit Mister Sandu.
Es sollen keine Schlachtabfälle und Knochen mehr gefüttert werden, nicht weil man das nicht für eine auskömmliche Ernährung hält, sondern weil die vielen Knochen auf dem Gelände in den Medien als Hundeknochen dargestellt werden könnten. Es wurden etliche neue Schilder angebracht, die uns erklärten, welche Hunde jetzt plötzlich gefährlich waren. Nicht sehr verwunderlich, traf es die Hunde, die auch in Deutschland rassistisch verfolgt werden. Alles viel Symbolik ohne Verstand, aber das kennen wir ja leider auch vom Hamburger Hundegesetz.
Ich weiß nicht, wohin all diese Entwicklungen führen, aber mir ist bei diesem Aufenthalt einmal mehr klar geworden, wie schwer es ist, bestehende Verhältnisse zu verändern und wie viele Kräfte aus wie vielen unterschiedlichen Interessen herauf Einfluss nehmen. Wer behauptet, Probleme im Tierschutz seien mal eben so zu lösen, der hat es noch nie versucht.
Und dann Diabolo: Volontärin Emily war sehr aufmerksam und an meinem letzten Tag in Bucov hörte ich plötzlich ihren Zuruf, „Sandra, die machen was mit Diabolo!“. Der hatte sich natürlich wieder aus dem Auslauf befreit, in dem wir ihn halten wollten. Wir hätten ihn nur im Vethaus einsperren können, aber das wäre für den agilen kräftigen Kerl eine schlimme Strafe gewesen. Ich gesellte mich zu der großen Männerrunde, zu der auch Diabolo von einem Arbeiter gebracht worden war. Ich war unendlich erleichtert, als ich verstand, dass es um eine Adoption von Diabolo ging. Der Interessent sprach auch noch etwas deutsch, also konnte ich unmittelbar Informationen erhalten: Diabolo soll in einem Wald des neuen Halters leben und dort die Schweine und anderen Tiere vor dem Fuchs und Marder schützen. Er soll nicht an der Kette leben und nur kurz im Zwinger. Keine Ahnung, ob das richtig gut wird für Diabolo, aber im Lager wäre es ganz sicher nicht gut geworden für ihn. Entweder wäre er doch getötet worden oder eingesperrt in einen winzigen Zwinger. Eine Chance auf Ausreise hätte er auch nicht wirklich gehabt, denn Hunde wie er werden eben überall verfolgt aufgrund ihrer Rasse.
Ich habe dem neuen Halter meine Visitenkarte gegeben, klar Hamburg Shelter imponiert dann ein bisschen, zumindest kennt jeder Hamburg. Ich habe seine Telefonnummern in Rumänien und Deutschland bekommen, etliche Wochen im Jahr kommt er nach Süddeutschland. Ein gemeinsames Foto habe ich mir gewünscht, damit der Halter von Diabolo weiß, wir sind interessiert an ihm und Diabolo. Meinen Besuch bei Diabolo habe ich für den nächsten Sommer angekündigt. Mehr konnte ich für den wunderbaren Kerl nicht tun.
Wie es dazu kam, dass sich ausgerechnet für Diabolo ein Interessent gefunden hat, weiß ich nicht. An Zufall mag ich nicht glauben. Vielleicht hat sich ein Arbeiter aus dem Lager für ihn engagiert und sich umgehört, bevor ihm Schlimmes passiert. Leider hatte ich keine Zeit mehr, genauer nachzuforschen, weil das alles an meinem letzten Tag, kurz vor meiner Abreise passierte.
Ihre Sandra Gulla