Sandra Gullas Rumänienreise Sommer 2015

Reisebericht, 1. Teil

Liebe Leserinnen und Leser,

meinen ersten Bericht von meinem zweiten Aufenthalt im Hundelager Bucov in Ploiesti kann ich nicht ohne zwei mir sehr wichtige Vorbemerkungen beginnen.

Zum Einen nochmals meine Bitte, meine Berichte aus dem letzten Jahr zu lesen oder sich auch intensiv auf der Internetseite unseres Kooperationspartners ProDogRomania e. V. (PDR) zu informieren.

Ich möchte Sie gerne ein wenig mitnehmen auf diese Tierschutzreise, aber dieses Unterfangen wird mir nur gelingen, wenn Sie etwas „mitarbeiten“. Meine abendlichen Kräfte reichen nicht, um das Hundelager Bucov und die Situation vor Ort von Grund auf zu erklären.

Und zum Anderen weise ich darauf hin, dass ich hier nichts Weiteres mache, als Ihnen einige meiner Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken auf dieser Tierschutzreise anzubieten. Weder kann ich umfassend berichten, noch wird es mir gelingen, objektiv zu berichten, ich strebe es nicht einmal an. Denn ich bin nicht nur hier, um zu berichten, ich arbeite mit, ich bin unmittelbar betroffen von dem Leid und Elend und den kleinen Freuden. Ich bemühe mich darum, nicht zu beschönigen und nicht zu dramatisieren, aber es ist immer meine sehr persönliche Sicht der Situation.

Die beiden rumänischen Tierschützerinnen Aniela Ghita und Mihaela Teodoru haben mich gestern Nachmittag vom Flughafen abgeholt und es kam mir vor, als hätten wir uns gerade erst letzte Woche und nicht vor einem Jahr das letzte Mal getroffen. So war es für mich auch leicht zu schildern, welche Beklemmungen die Aussicht auf den ersten Tag im Lager in mir auslösten. Ich wusste ja im Groben, was auf mich zukommt, aber das hat es nicht leichter gemacht als im letzten Jahr. Aniela sagte mir dann etwas, was mich, wie auch der unterstützende Zuspruch von HTVlern, Adoptanten und anderen Tierschutzinteressierten, durch diesen ersten Tag getragen hat: „Sandra, ich weiß nicht, ob es für dich gut ist wieder hier zu sein, aber ich weiß, es ist für uns gut, dass Du hier bist und es ist für die Hunde gut.“

Und heute war dann der erste Tag im Lager. Ich habe mit den beiden Tierschützerinnen verschiedene Rundgänge über das riesige Areal unternommen. Irgendwie wünschte ich mir sofort wieder so etwas wie eine Übersicht zu bekommen. Ein wenig naiv, aber vielleicht verständlich, hoffte ich doch auch eine grundsätzlich positive Wendung zu sehen. Aber dem ist nicht so.

Es ist sehr viel verbessert worden seit dem letzten Jahr. Aniela, Mihaela und PDR leisten im Rahmen dessen, was ihnen von der Lagerleitung erlaubt wird, Außerordentliches. Gerade die Baumaßnahmen sind hier von fundamentaler Bedeutung.

Die eindrucksvollste Verbesserung für mich: Es gibt die „Death Kennels“ nicht mehr. Das waren große Ausläufe mit so gut wie keiner Ausstattung. In ihnen lebten etliche vor allem große Hunde, da sie die einzigen waren, die dort überleben konnten. Diese Ausläufe wurden nun geteilt. Dort stehen jetzt Hütten, Sichtblenden, Überdachungen als Witterungsschutz und Schattenspender, große Wassernäpfe und Futtertröge, die ganz hervorragend für die Fütterungssituation geeignet sind. Und noch etwas anderes ist geschehen: Auch die vielen Hunde in den ehemaligen „Death Kennels“ sind nun in der Obhut von Aniela oder Mihaela; auch sie werden nun geimpft und tierärztlich behandelt. Im letzten Jahr sahen sich beide Tierschützerinnen noch nicht dazu in der Lage, für alle Hunde im Lager die Verantwortung zu übernehmen und ich konnte das mehr als verstehen. PDR und alle gebündelten Kräfte haben es in diesem einen Jahr geschafft, dass Aniela und Mihaela nunmehr alle Hunde unter ihre Obhut nehmen und sich diese erweiterte Aufgabe zutrauen konnten.

Doch leider ist da eine Entwicklung, die so vieles, was geschaffen wurde, keine Wirkung entfalten lässt. Es sind seit dem letzten Jahr nach Angaben aller, mit denen ich bisher gesprochen habe, und auch nach meinem eigenen Eindruck nochmal mehr Hunde in diesem Lager. Bereits im letzten Jahr waren es wohl an die 1.400 Hunde. Ausläufe mit einer erträglichen Besatzdichte habe ich bisher nicht entdecken können. Viele der Unterteilungen in kleinere Gehege, die geschaffen wurden, um Konflikte in großen Gruppen abzubauen, sind nunmehr wieder überfüllt mit großen Gruppen. Heute brachten die Hundefänger allein 17 neue Hunde. Ich habe mich bemüht, jeden Hundefänger mit Handschlag und freundlichem Lächeln zu begrüßen. Die meisten erkannten mich wieder und so duldeten sie meine Anwesenheit beim Ausladen der verstörten, verletzten und teilweise in Todesangst aufgelösten Hunde.

Es wird keine elementare positive Wendung geben, wenn nicht die Gesetzeslage durch die Politiker geändert wird! Angespornt durch eine Bevölkerung, die mehrheitlich das Töten und Lagern der Hunde ablehnt, unterstützt durch eine Verwaltung, die sinnvoll große Kastrationsprogramme effektiv und nachhaltig angelegt durchführt! Liebe Leserinnen und Leser, Sie sehen, ich bin jetzt bereits im Bereich des Träumens angelangt.

Noch ist nicht zu erkennen, dass irgendetwas davon in Rumänien realistisch ist. Und was tun wir bis dahin? Da hilft mir die weitere Frage: Was wäre, wenn nicht alle –PDR, Aniela, Mihaela, die ehrenamtlichen Bautrupps, die Kooperationsorganisationen und -tierheime in Deutschland und anderen Ländern – weiter tun würden, was sie nur tun können? Die Antwort ist schlicht: Es müsste dann auch aus Tierschutzsicht (!) in Bucov ebenso wie zurzeit in anderen Lagern Rumäniens systematisch getötet werden.

Dies gilt es weiterhin zu verhindern! Denn möglicherweise braucht Rumänien gerade Beispiele wie das Hundelager Bucov als kleinen flackernden Hoffnungsschimmer, als Aussicht, dass es alles auch anders gehen könnte.

Und ob Sie es mir glauben oder nicht, aber jetzt, nach meinem ersten Tag hier gibt es keinen anderen Ort auf der Welt, an dem ich lieber wäre als hier. Mit der Bildergalerie erhalten Sie weitere Einblicke.

Ihre Sandra Gulla

Für die Bildergalerie des ersten Teils des Reiseberichtes bitte auf das erste folgende Bild klicken:

Reisebericht, 2. Teil

Liebe Leserinnen und Leser,

jeden Tag erlebe ich hier so viel, dass alles, was ich berichte nur ein kleiner Ausschnitt ist.

Wie kann ich Ihnen nun also berichten? Ich werde Ihnen einzelnen Begebenheiten schildern, die exemplarisch für die Situation hier sind.

Die täglichen Einfangaktionen bringen unterschiedlich viele Hunde. Jetzt am Wochenende wird nicht mit Nachdruck eingefangen, denn die Schicht der Hundefänger, wie auch die der zurückgebliebenen Arbeiter im Lager, ist am Wochenende deutlich kürzer. Ich versuche mitzubekommen, wenn der Hundefängerwagen zurückkommt. Das gelingt nicht immer, weil wir uns auf einem riesigen Lagergelände bewegen. Doch am vergangenen Freitag konnte ich schnell genug beim Ausladen dabei sein. Es waren nur drei Hunde, davon zwei schwarze Welpen. Ich war froh, dass ich sie sofort in Empfang nehmen konnte. Meine Kamera lege ich beim Ausladen immer demonstrativ beiseite, weil eben das häufig kaum zu ertragende Ausladen der Hunde nicht gefilmt oder fotografiert werden soll. So bestand aber für Aniela, die die Situation sofort erfasste, die Möglichkeit einige Fotos zu machen, unmittelbar nachdem ich die Welpen aus dem Wagen geholt hatte. Hier gibt es so unendlich viele Welpen und Junghunde. Am gleichen Tag habe ich die Tierärztin Irina bei der Behandlung der Welpen in den vielen Welpengehegen, die Aniela betreut, unterstützt. Dort konnte ich dann die kleine Leiche eines ebenfalls schwarzen Welpen bergen, der nur wenige Tage zuvor ebenfalls mit einem Geschwisterchen eingeliefert wurde. Ich glaube es war vorgestern, als die Tierärztin Catalina die Leiche eines schon etwas größeren schwarzen Welpen in einem anderen Gehege vorgefunden hatte. Auch die beiden waren in meiner Zeit hier angekommen. Und ich war erstaunt, dass es auch da so schnell gegangen war mit dem Sterben. Aber die Welpen kommen eben mit diversen Erkrankungen von der Straße und dann kommen sie in die überfüllten Gehege und so ist die Sterblichkeit hoch.

Ich habe bei den Tierärztinnen nachgefragt und sie gehen davon aus, dass von den Welpen unter acht Wochen in der ersten Zeit nach der Einlieferung die Hälfte stirbt. Sind sie bereits über acht Wochen, wenn sie in das Lager kommen, dann sind ihre Chancen zu überleben etwas höher. Wenn Mütter mit sehr kleinen Welpen kommen beziehungsweise Welpen im Lager geboren werde, sterben alle. Der Stress und der Krankheitsdruck sind für die Mütter zu viel. Sie werden krank, manche sterben, so haben die Welpen keine Chance.

Ich habe nicht weiterverfolgt, was aus meinen beiden schwarzen Welpen geworden ist, vielleicht schau ich morgen mal nach dem Bruder des größeren toten Welpen, aber nur, wenn nicht wieder Wichtigeres ansteht. Die Tierärztinnen schauen jeden Tag in die Welpenausläufe und behandeln und impfen die neuen kleinen Wesen. Tatsächlich kann ich mir aber auch überhaupt nicht vorstellen, wie es hier aussähe, wenn die Sterblichkeit der Welpen nicht so hoch wäre. Wir müssen uns also auch bewusst sein, dass jede Maßnahme, die die Sterblichkeit verringert, das Problem der überfüllten Zwinger und Ausläufe verschärft. Nichts, aber auch gar nichts ist einfach hier. Und wer hier behauptet, eine Patentlösung für die vielschichtigen Probleme zu haben, der lügt.

Sicher verstehen Sie aufgrund meiner Schilderungen auch, warum ich die Darstellung von Welpen für die Adoption ablehne und auch Rückfragen zu den Welpen auf meinen Bildern gänzlich sinnfrei sind. Wer sich für einen sehr jungen Hund ab 15 Wochen aus diesem Lager interessiert, der sollte ein generelles Profil anfragen, Geschlecht, Farbe, langes, kurzes oder gelocktes Fell, voraussichtliche (!!!) spätere Größe und dann kann eine Adoption gelingen. Hier gibt es so viele verschiedene Welpen, da sollte für jeden „Geschmack“ etwas dabei sein.

Die vielen toten Welpen sind der Gesetzeslage und den politischen Entscheidungsträgern geschuldet, die lieber töten oder sterben lassen, statt die Kastration von Hunden flächendeckend voranzutreiben.

Und dass dieses ganze Einfangen und Lagern die Situation auf den Straßen von Ploiesti noch nicht maßgeblich verändert hat, kann man sehen. Tagsüber dachte ich erst, ok, ich sehe am Straßenrand liegende tote Hunde. Und hier und da auch mal eine tragende oder säugende Hündin, aber so im Großen und Ganzen …

Doch dann war ich an einem der letzten Abende noch mit Mihaela unterwegs, um kurz vor 23 Uhr in einem Supermarkt und dann fuhren wir noch quer durch die Stadt. Und dann konnte ich sie sehen: Gruppen von Hunden, die meisten noch jung. Eine Gruppe von 12 bis 15 Hunden tobend auf den Sandbergen einer Baustelle zwischen den Fahrbahnen. Mir stockte ein wenig der Atem. Andere über die Bürgersteige streifend und mehrere ältere Hunde brav vor dem Supermarkt wartend, ob jetzt zur nächtlichen und kühleren Stunde etwas für sie abfällt. Heute Morgen sah ich dann bei der Fahrt ins Lager einen jungen Hund mit schwerer Hauterkrankung vor unserem Auto ins Buschwerk am Straßenrand flüchten. Was für ein erbärmliches Leben mit wie viel Leid dieses kleine Geschöpf führen muss.

So freut es mich umso mehr, dass in meiner ersten Woche hier im Lager auch ein Kastrationstag von ProDogRomania (PDR) stattgefunden hat. Wie viele Hunde kastriert wurden, habe ich nicht genau mitbekommen, aber bestimmt an die 20 Hunde. Zumindest zwei tragende Hündinnen waren dabei und ich bin froh, dass nicht weitere Welpen in dieses Nichtleben hineingeboren werden. Und ich bin dankbar dafür, dass wir als Hamburger Tierschutzverein für jeden übernommenen Hund eine weitere Kastration in Höhe von 21 Euro übernehmen. Alles nur Tropfen, aber aus all den Tropfen werden Rinnsale, Flüsse und …, na ja, jedenfalls hoffe ich das.

Berichten möchte ich Ihnen nach längerem Nachdenken auch von der Fütterung von Schweineköpfen, die mich kurzzeitig etwas aus der Fassung gebracht hat, weil es für mich so paradox war. Ich habe mich gefreut, dass es wieder ein Tag mit Fütterung war. Die Hunde sollen alle jeden zweiten Tag Trockenfutter bekommen, finanziert durch PDR und unterstützt durch Spenden anderer. Die Tierschützerinnen hier vor Ort überwachen dies, weil sonst schon mal geschludert wird. Und eigentlich soll an den anderen Tagen dann das gefüttert werden, was die Verwaltung dem Lager zur Verfütterung zur Verfügung stellt, also Schlachtabfälle oder Supermarktabfälle. Wird aber nicht immer eingehalten.

Diesmal aber gab es etwas, Schweinekopfhälften, und kurz hatte ich das Gefühl, dass die Bilder dieser Fütterung für meinen „veganen“ Magen zu viel sind. Da reißen zwei Hunde an so einem reizenden Schweinegesicht, kaut einer genüsslich auf einem Ohr oder einer Schnauze.

Jedes dieser Schweine hätte genauso mein Mitgefühl und meine Fürsorge erhalten, wenn ich es lebend angetroffen hätte, wie diese Hunde hier. Immer wieder sage ich mir, dieses Schwein ist nicht für diese Hunde gestorben. Es ist nach einem kurzen und erbärmlichen Leben getötet worden, weil Menschen meinen, Schweine essen zu müssen. Und das Gesicht dieses Schweins ist dem Menschen gar nichts wert, deshalb haben nun die Hunde was zu essen.

Später musste ich immer wieder denken: Und auch deshalb ist es für mich so wichtig, dass Hunde und Katzen kastriert werden. Weil es dann auch weniger andere Tiere bräuchte, die als Futter verbraucht werden. Aber es bleibt eine der Dilemma-Situationen, in denen man sich im Tierschutz wiederfindet.

Auf meinen Bildern konnten Sie bereits eines der überfüllten Welpengehege sehen. Mihaela, die den Bereich betreut, gab mir ihr Einverständnis dort einen Test zu machen und so habe ich veranlasst, dass es etwas ausgehoben wird. Zehn Zentimeter der Kotschicht und dem darunterliegenden leider sehr lehmigen Boden wurden entfernt. Dann habe ich mir erlaubt, etwas von dem Stroh zu nutzen, dass PDR bereits für den Winter angeschafft hat und wir haben einen ganzen Packen Stroh in dem Gehege verteilt. Was für eine Freude für die Welpen und uns Menschen! Die Welpen haben am Anfang wie verrückt getobt in dem Stroh und deren Kot arbeitet sich in das Stroh gut ein, Urin sowieso. Einer der mit Spenden bezahlten zusätzlichen Arbeiter hat nun heute Morgen eine dünne Stroh-Schicht entfernt, aber noch nicht nachgefüllt. Ich will beobachten, wie viel Stroh man für dieses eine Gehege benötigt, sprich wie hoch die monatlichen Kosten sind. Ich habe schon gemerkt, dass die Idee nicht schlecht angekommen ist, denn nun können die Arbeiter zum Füttern sowie die Tierärztinnen und Mihaela dort hineingehen, ohne selbst nach kürzester Zeit von den Welpen mit Unmengen Kot beschmiert worden zu sein und die Welpen selber sind natürlich auch viel sauberer. Das tägliche Saubermachen braucht sehr wenig Zeit und ist im Gegensatz zu so vielen Aufgaben, die die Arbeiter hier haben, leicht und angenehm. Es wäre wohl auch hinnehmbar, wenn nur jeden zweiten Tag etwas Stroh entfernt und dann nachgefüllt wird. Mal sehen, ich jedenfalls bin super zufrieden mit dem Testbeginn und froh, nun eine noch einwöchige Probephase mitzuerleben. Sicher, es ist vielleicht nur eine Lösung für dieses eine Gehege, aber immerhin sind dort über 40 Welpen untergebracht. Vielleicht kann es beispielgebend sein für die Welpenbereiche. Ich übernehme dann gerne eine Strohpatenschaft für das Gehege.

Die Tierärztinnen arbeiten an sieben Tagen der Woche hier an diesem grässlichen Ort, nur die wenigen Wochen ihres Urlaubs sind sie nicht hier. Ansonsten arbeiten sie Woche für Woche durch. Keine Ahnung, ob man in Deutschland für so einen Job Tierärzte finden würde. An Catalina und Irina sehe ich aber, was es heißt, wenn der Tierarztberuf auf einer Berufung zum Helfen beruht.

Dieser Sonntag war ein guter Tag. Ich versuche nicht nur die Ankunft der Hundefänger mitzubekommen, sondern auch, wenn „ normale“ Leute auf das Gelände kommen. Manchmal kommt jemand, weil der eigene Hund gesucht wird, manchmal kommen Leute, die einen haben wollen.

Zu letzteren: In meiner bisherigen Zeit hier gab es keine Adoption eines Hundes. Zweimal wollten Leute einen Hund haben, junge Männer mit martialischem Auftritt, die sich nur für Rottweiler und –wie ich sie nenne – „Listenhunde“ interessierten und an deren Gehegen stehen blieben. Ich war beide Male heilfroh, dass sie ohne Hunde wieder abzogen. Und ich wäre bereit gewesen, die vorhandenen weitgehend zum Menschen freundlichen Rottweiler so zu triezen, dass diese Typen Angst vor ihnen bekommen und sie nicht haben wollen. Und bei allen Welpen mit dem entsprechenden Style würde ich sofort behaupten, die seien alle für Hamburg reserviert, wenngleich das aus bekannten Gründen leider absolut unmöglich ist. Ich stelle mich immer wie Lieschen Doof zu solchen Gesprächsrunden dazu und latsche freundlich grinsend mit, wenn sich umgeschaut wird. Für die Vermittlung ist der Tierarzt des Lagers zuständig, der auch ansonsten gar nichts zu tun hätte, weil er außer Euthanisieren nichts kann. Die rumänischen Tierschützerinnen sind auch immer sehr aufmerksam, wenn es um Interessenten geht, denn auch in Rumänien gibt es organisierte Hundekämpfe. Interessanterweise können all diese unangenehmen Typen und auch der Lagerarzt mir nicht mal eine Sekunde in die Augen schauen. Wissen sie vielleicht doch, wie unmoralisch ihr Handeln beziehungsweise ihre Interessen sind? Und für einen ganz kurzen Moment wird mir wieder klar, dass es noch schlimmere Orte gibt an denen ein Hund existieren muss als in diesem Lager: im Pit für Hundekämpfe, im Labor für Tierversuche.

Aber heute am Sonntag kam ein älteres Ehepaar, das seine Hündin suchte. Keine armen Leute, sie sahen eher ein wenig wohlhabend aus für rumänische Verhältnisse. Sie waren sehr aufgeregt, die Frau verstand ein ganz kleines bisschen Englisch. Ich sprach sie mit Lady an – das ist die höfliche Ansprache in Rumänien für erwachsene Frauen – und ließ die beiden nicht mit den Hundefängern allein. Von meinem vorherigen Aufenthalt wusste ich, dass Leute, die ihren eigenen Hund suchen, eher abgewimmelt oder zu Bereichen geführt werden, wo nie neue Hunde hingebracht werden. Wir gingen stattdessen direkt zu den winzigen Zwingern, in denen die neuen und kranken Hunde untergebracht sind. Dort fanden sie ihre Fetita. Nun bekam ich mit, dass sie bis Montag warten sollten, bis sie ihre Fetita wiederbekommen, weil die Verwaltung am Sonntag nicht besetzt ist. Für die ältere, sehr freundliche, aber auch etwas verwirrte Schäferhündin hätte das Schlimmes bedeuten können. Die Frau war hartnäckig, verwies auf den Impfpass von Fetita, sie hat einen Microchip, ist geimpft und – wie ich erfragen konnte kastriert –, nur eben etwas im anliegenden Park alleine spazieren gegangen. Aber all das sollte nichts ändern. Als das erschütterte Ehepaar unverrichteter Dinge wieder zum Ausgang gebeten wurde, weinte Fetita herzzerreißend. Ich suchte nach einer der Tierärztinnen und bat sie um Hilfe. Catalina spricht sehr wenig Englisch, aber sie verstand sofort, dass ich mich in Not fühlte und ein Problem hatte und ich bat sie schnell mit dem Chiplesegerät nachzuschauen, ob Fetita einen Chip hat. Wir konnten ihn einlesen und folgten mit dieser „wichtigen Information“ schnell dem Paar und den Hundefängern. Nun wurde wieder viel diskutiert und auch irgendeine Telefonnummer herausgegeben und – keine Ahnung was geschah – nach einigem Hin und Her und Telefoniererei durften sie Fetita mitnehmen. Die Lady bedankte sich vielfach bei mir auf Englisch und Rumänisch und segnete mich. Und wir hatten beide Tränen in den Augen dabei. Das war das zweite Mal in der Zeit, in der ich hier bin, dass ich mitbekommen habe, dass Leute nach ihrem Hund gesucht und ihn auch gefunden haben. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wieso die Halter ihre Hunde streunen lassen, wenn die Lager hier für neu eingefangene Hunde so gefährlich sind und die Gesetzeslage so ist wie sie ist. Aber ich denke, auch in Rumänien kennen lange nicht alle Leute das „Hundegesetz“ und bevor sie nicht das erste Mal in Bucov waren, können sie sich die Verhältnisse nicht vorstellen. Erzählt wird den Bürgerinnen und Bürgern jedenfalls von offizieller Seite, dass es ein guter Ort für Hunde ist. Dazu gibt es sogar Fernsehberichte, erzählten mir die Tierschützerinnen. Und im letzten Jahr bekam ich mit, wie Leuten, die ihren Hund abgaben, sogar von Angestellten des Lagers erklärt wurde, dass die Hunde alle gut nach Deutschland und in andere Länder vermittelt werden. Was für erbärmliche Lügen. Interessant, dass Politik und Verwaltung zu den tatsächlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen nicht stehen wollen, aber das gibt es ja nun wahrlich nicht nur in Rumänien. Und noch etwas anderes ist wichtig zu wissen, die schon immer und noch immer übliche Hundehaltung in Rumänien ist die „Ums-Haus-rum-Haltung“. Und nun sollen die Leute aufgrund der Hundegesetze nur noch mit ihren Hunden mit Leine raus dürfen oder sie in Zwingern halten. Fragen wir uns mal einen Moment, wie lange es in Hamburg dauern würde, bis alle Einwohnerinnen und Einwohner eine solche Verhaltensänderung nicht nur akzeptieren, sondern auch umsetzen würden. Stellen wir uns vor, eine entsprechende Regelung würde ab sofort in Hamburg für Katzen gelten …

Eigentlich wollte ich Ihnen noch von dem wunderschönen Rüden erzählen, der von den Männern seiner Familie hier abgegeben wurde und den rumänischen Tierschützerinnen, die sich hier tageweise einbringen, aber schon jetzt habe ich so viel geschrieben und ich habe keine Ahnung, wie interessant das alles für Sie ist.

Mal sehen, was der eben angebrochene Montag bringt …

Für die Bildergalerie des zweiten Teils des Reiseberichtes bitte auf das erste folgende Bild klicken:

Reisebericht, 3. Teil

Liebe Leserinnen und Leser,

Tierschutzreisen entziehen sich jeder Planbarkeit. Diesmal ist es dem ersten Einsatz von zwei Vier-Wochen-Volontärinnen von ProDogRomania e. V. (PDR) im Hundelager Bucov zu verdanken, dass ich meine Planungen für die verbleibende Zeit geändert habe. So wenig wie die beiden jungen Frauen wusste auch ich, was da auf mich zukommt. Nach zwei Tagen gemeinsamen Wirkens ist mir klar: Das  Beste, was ich tun kann, ist ihnen für die verbleibende Zeit zur Seite zu stehen und ihnen so viel wie möglich von meinen Erfahrungen und meinem Wissen anzubieten, damit sie diese vier Wochen so effektiv wie nur möglich im Interesse der Hunde nutzen können. Die beiden befreundeten Studentinnen Annie und Tabea sind beide „plietsch“, wie man in Hamburg sagt, sie wollen lernen und reißen sich zusammen, wenn es nötig ist und das ist hier öfter mal nötig. Im Hundelager Bucov kann man niemanden schonen. Hier kann man nicht die Bilder, die einem gefallen, liken und die, die einem nicht gefallen, gar nicht erst anschauen.

Die beiden haben die ersten zwei harten Tage hinter sich gebracht und gerade habe ich sie fröhlich miteinander redend in ihr Pensionszimmer gehen hören. Das freut mich sehr, auch weil sie niedergeschlagen keine gute Arbeit für die Hunde leisten könnten.

Wir setzen hier in jeder Stunde dem Elend dieses Ortes unsere volle Energie entgegen und wir schaffen was, deshalb lässt sich alles aushalten. Über das, was wir so schaffen, werden Annie und Tabea ab heute mit kurzen Beiträgen berichten, die wir dann ebenfalls veröffentlichen. Sie werden auch Fotos zeigen, was mir diesmal nicht so umfassend möglich ist, da ich eben einige meiner Arbeiten zugunsten der Zusammenarbeit mit Annie und Tabea eingestellt habe. Sicher finden Sie meine Prioritätensetzung nachvollziehbar.

Was möchte ich Ihnen jetzt noch erzählen? Welche Vorhaben ich bisher noch umsetzen konnte:

Die Diskussionen und Planungen für das Wasserprojekt wurden zu einem Ergebnis gebracht und die Erdarbeiten für die frostsichere Verlegung der Wasserleitungen wurden begonnen. Ich wünsche PDR und den Hunden, dass die Arbeiten gut voranschreiten und den gewünschten Erfolg bringen. Ich bin leider nicht lange genug hier, um den Abschluss der Arbeiten mitzubekommen. Heute waren es gefühlte 38 Grad und für alle Lebewesen, aber gerade die kranken und geschwächten, ist dann eine gute Wasserversorgung überlebenswichtig.

Mit den Spenden, die ich über den gemeinsam mit meiner Mutter gegründeten kleinen Auslandstierschutzverein erhalten habe, konnte ich das Material für einen weiteren Welpenauslauf und zwei neue Türen für bestehende Ausläufe finanzieren, das meiste Material ist schon verbaut. Morgen geht es an die Inneneinrichtung und daher habe ich die berechtigte Hoffnung, dass wir alsbald Hunde aus dem besonders überfüllten Welpenauslauf von Mihaela und etliche Hunde aus der unerträglich überfüllten Zwingeranlage in diese drei neuen beziehungsweise nunmehr wieder nutzbaren Bereiche umsetzen können. Dabei werden Annie und Tabea wertvollste Hilfe leisten können, denn Umsetzen ist schnell gemacht, aber dann muss auch jemand hier die Zeit haben zu schauen, passt das, was da zusammengesetzt wurde, vertragen sich die Hunde, kommen alle an Wasser und Futter …

Heute Morgen haben wir aus einem Sachspendenlager Nachschub geholt, den wir nun in den Containern auf dem Lagergelände zur Verfügung haben.

Nun können wir auch eine qualifizierte Rückmeldung nach Deutschland geben, was dringend benötigt wird und was noch ausreichend zur Verfügung steht.

In der lebensrettenden Aufgabe, Bilder und zutreffende Beschreibungen von Hunden zu machen, konnten Aniela und ich heute Annie und Tabea unterweisen. Noch kann ich die beiden dabei unterstützen, aber dann werden sie wunderbarerweise nach meiner Abreise damit fortfahren können und bestimmt etlichen Hunden zu einer Lebenschance verhelfen.

Doch ich würde Ihnen ein gänzlich verzerrtes Bild übermitteln, wenn ich Ihnen nicht auch von den fleißigen rumänischen Tierschützerinnen berichten würde, die ich hier kennenlerne. Aniela und Mihaela sind sicher den meisten Leserinnen und Lesern schon ein echter Begriff. Ich habe Hochachtung vor deren Lebensleistung. Doch sie sind zum Glück nicht völlig allein in Rumänien und auch nicht in Ploiesti. Ich habe Freunde von Mihaela kennengelernt, eine vierköpfige Familie, die neben der Versorgung von neun eigenen Hunden noch einen Welpenauslauf für Mihaela eingerichtet hat, in dem sie bei meinem Besuch weitere neun Welpen beherbergten. Das alles während sie in einem Haus leben, dass sie noch zu Ende bauen müssen. An einem der letzten Abende haben wir sehr spät einer 75 Jahre alten rumänischen Tierschützerin Hühnerknochen gebracht. Sie beherbergt etliche ehemalige Straßenhunde, kann sich aber kein Hundefutter leisten. Aus den Knochen kocht sie mit viel Reis eine Pampe, von der sie dann sogar uns etwas für die Welpen ins Lager mitgebracht hat. Auch dort hilft sie seit über einem Jahrzehnt nach Kräften. Genauso wie sie kann sich eine weitere ältere Tierschützerin die Busfahrkarte aus Ploiesti zum Hundelager am Stadtrand von Ploiesti nicht leisten. Findet sich keine Mitfahrgelegenheit bei den anderen Tierschützerinnen, ist sie auch bereit, zu Fuß die mehreren Kilometer jetzt bei sengender Hitze zum Lager zu laufen. Und dann ist da auch noch Elena, die sich seit vielen Jahren um die Hunde in einigen Hundeausläufen kümmert und dort auch sauber macht, was hier ein Luxus ist. Und eine berufstätige Frau, die jedes Wochenende ihre Freizeit zwischen Beruf und Familie im Lager verbringt. Auslandstierschutz dient auch dazu, ihnen allen durch unsere Hilfe zu zeigen, dass sie – wenn auch noch in ihrer Gesellschaft in einer absoluten Minderheit – so doch nicht allein sind und wir solidarisch mit ihnen wirken wollen. Immer wieder höre ich, wie sehr die Tierschützerinnen hier sich durch die Hilfe ermutigt fühlen, ihre schwere Aufgabe fortzusetzen.

Am Wochenende nach dem kurzen Tierheimtag werden wir dann die Foster-Mami Jeni, die ich bereits im letzten Jahr kennengelernt habe, besuchen. Aniela hat mir berichtet, dass Jeni sie täglich mehrfach anruft, seitdem sie weiß, dass ich wieder in Rumänien bin und darum bittet, dass ich doch vorbeikomme, um mir die Hunde anzuschauen, die in der Direktvermittlung aus verschiedenen Gründen keine Chance haben.

Plätze, die bei ihr frei werden, füllt sie gleich wieder mit Pfleglingen aus dem Hundelager auf. So werde ich selbstverständlich schauen, welche Hunde von Jeni der HTV in den nächsten Monaten aufnehmen könnte.

Überhaupt muss ich mich langsam entscheiden, welche Hunde schon Mitte August in das Tierheim Süderstraße kommen können. Keine leichte Aufgabe, aber dazu vielleicht ein andermal mehr.

Ihre Sandra Gulla

Für die Bildergalerie des dritten Teils des Reiseberichtes bitte auf das erste folgende Bild klicken:

Reisebericht, letzter Teil

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ich zu Beginn meiner Tierschutzreise geschrieben habe, der erste Tag im Lager ist der schwerste, dann war das nicht richtig. Der letzte Tag ist der schwerste, heute geht mein Flug zurück. Ich sitze nun vor meiner Pension und nehme innerlich Abschied. Mihaela wird mich in einer Stunde abholen und zum Flughafen fahren. Ich habe entschieden, heute Morgen nicht nochmal für zwei Stunden in das Lager zu gehen, was hätte ich auch Sinnvolles tun sollen in der wenigen Zeit, aber schwerer wog für mich, dass ich tatsächlich auch etwas Zeit brauche, um wieder in meiner normalen Welt anzukommen. Und so nutze ich diesen Morgen, um Ihnen zu schreiben.

Der letzte Tag ist der schwerste, das ist so. Das Gefühl, die Hunde im Stich zu lassen ist so überwältigend, da kommen keine noch so klugen Argumente gegen an.

Ich habe gestern im Lager die endgültige Auswahl der Hunde getroffen, die nunmehr Mitte August zu uns nach Hamburg kommen können. Ich werde sie Ihnen vorstellen. Und Ihnen sicher an der Auswahl noch einiges über das Lager Bucov und seine Bedingungen erläutern können. Ich war dankbar, dass ich Mihaela überzeugen konnte noch einen meiner kleinen Pfleglinge in eine Tierklinik zur Intensivbehandlung zu bringen. Ich habe in den zwei Wochen ihre drei Geschwisterchen sterben sehen. Dieses kleine namenlose Mädchen hat immer weiter gekämpft und ganz vielleicht hat sie eine Chance. Ich habe ihr und Mihaela mein Versprechen gegeben, sie zu mir zu nehmen, wenn sie es schafft. Aber diese Versprechen sind einfache Versprechen, denn in aller Regel werden sie durch den Tod eingelöst.

Gestern wurden neun erwachsene Hunde, ein toter Hund und zwei ältere Welpen von den Hundefängern eingeliefert. Ich habe sie wie alle Neuankömmlinge um Vergebung gebeten für das, was ihnen von uns Menschen angetan wird. Unter den Neuankömmlingen war ein sehr alter, ehemals sehr kräftiger Rüde mit einem deformierten Schädel, dem ich anmerkte, dass er das Bedürfnis hatte, sich gleich gegen die jungen Rüden in der drangvollen Enge durchzusetzen. Ich habe darauf bestanden, ihn in den einzigen leeren Zwinger umzusetzen. Leer ist dieser Zwinger nur für wenige Stunden, denn er wird jetzt schon als Aufwachbereich für die frisch kastrierten Hunde dienen müssen. Außerdem habe ich den heute für die Kastrationszuführung zuständigen Mitarbeiter inständig gebeten, diesen Rüden nicht mit der Schlinge zur Kastration zu bringen, sondern ihn an der Leine zu führen. Dafür habe ich etwas getan, das hier nicht gerne gesehen wird: Ich bin gleich in den Zwinger mit den Neuankömmlingen und habe den alten Rüden mit einer Fangleine so sanft wie es nur ging aus diesem Zwinger geholt. Die Neuankömmlinge wurden zu anderen Hunden dazu gepackt und ich verstehe, dass man da erst mal abwartet, bis sich so eine Gruppe beruhigt, aber ich hatte keine Zeit mehr. Ich musste immer wieder denken, was hast du alter Kerl schon alles erlebt, hast Jahre auf der Straße zugebracht, schlimme Dinge überstanden, einen schweren Unfall oder Schlag, der die große Narbe auf deinem Schädel verursacht hat, überlebt und warst aber auch immer dein eigener Herr, konntest entscheiden, wo du bleibst und wohin du gehst. Musstest sicher viele Kämpfe ausfechten, aber hast auch Zuwendung durch Menschen erfahren, denn sonst wärst du niemals gleich so freundlich zu mir.

Ich gehöre nicht zu denjenigen, die meinen, dass das Streunerleben für Hunde an sich ein schlechtes Leben ist. Hätten wir eine Chance, die Hunde auf den Straßen Rumäniens zu kastrieren, zu impfen und dann wieder freizulassen, könnten viele Hunde ein gutes Leben führen. Nicht jeder Hund braucht menschliche Bevormundung und ein Körbchen, manchen von ihnen ist ihre Unabhängigkeit und Freiheit ganz bestimmt mehr wert. Jetzt wird der alte Rüde in diesem Lager sterben, den Lebensraum, den er kannte, dürfen wir ihm aufgrund schwachsinniger Gesetze nicht mehr zurückgeben. 

Eine Chance auf Adoption ist fast nicht vorhanden und ob wir ihm damit einen Gefallen tun würden, müssten wir erst genau prüfen. Nach der kurzen Zeit mit ihm kann ich das nicht beurteilen. Als ich ging, blieb mir nichts, als ihn und die anderen nochmals um Vergebung zu bitten.

Gestern habe ich aber auch Aniela und Mihaela gezeigt, welche Hunde ich nun für den Augusttransport ausgewählt habe. Eine schwierige Aufgabe, wie Sie sich sicher ohne weiteres vorstellen können. Wenn sie dann ankommen, werde ich mich freuen können, aber hier kommen auf jeden Hund, den ich auswähle mehr als 100, die ich zurücklasse. Wie soll sich da ein gutes Gefühl einstellen?

Elena – so habe ich die kleine Hündin getauft, die die große Elena vor einigen Tagen auf unserer gemeinsamen Fahrt in das Lager einfangen konnte – habe ich in die Obhut der Volontärinnen überantwortet. Die Tierärztinnen schauen nach ihr, aber noch ist nicht klar, ob sie ihre neurologische Staupe bereits überstanden hat und die Zuckungen ihrer Hinterläufe ein zurückgebliebener Schaden sind oder ob sich die Staupe noch weiter in diesem kleinen ausgemergelten Körper breitmacht. Elena ist eine Kämpferin. Sie schnappte beim Einfangen wie wild um sich und auch jetzt noch, wenn man sie berühren möchte. Aber ich konnte sie bereits ohne Schwierigkeiten aus der Hand füttern. Wenn etwas Leckeres drauf war, war die Hand nicht bedrohlich und sie hat sogar, untypisch für junge Hunde, sofort ganz vorsichtig von meinen Fingern gegessen. Auch diese Aufgabe werden die Volontärinnen von ProDogRomania fortführen, sodass Elena lernen kann, dass die Hand etwas Gutes ist und ihre Behandlung durch die Tierärztinnen einfacher wird. Auch Elena hat mein Versprechen, aber Sie wissen ja…

Selbstverständlich habe ich jetzt viel mehr Hunde in meinem Kopf als nur die zwölf, die wir im August aufnehmen können, aber wir müssen schauen, welche Kapazitäten wir haben und welche das schwere Leben im Lager so gut überstehen, dass sie auch noch ausreisefähig sind, wenn wir sie aufnehmen können.

Im August kommen hoffentlich zu uns:

Yemina – sie ist schon so lange in der Galerie von ProDogRomania und ich hatte sie schon vor meiner Reise ausgesucht. Wenn ein Hund so lange in der Galerie ist, dann scheint er für Adoptanten nicht interessant zu sein, die sich über das Foto und die Beschreibung für einen Hund entscheiden. Wir haben in Hamburg aber gute Erfahrungen mit den lange Ungewollten gemacht, oft konnten wir die erwachsenen, nach den Jahren im Lager genügsam gewordenen, Hunde recht zügig in zuverlässige Zuhause vermitteln. Yemina lebte in einem der ehemaligen Death Kennels, zusammen unter anderem mit Heinrich, der ja vor einiger Zeit zu uns kommen konnte und bereits seit Längerem sein wunderbares Zuhause genießen darf. Ich habe Yemina zunächst nicht gefunden, obwohl sie genau in dem Auslauf war, in dem Anna von ProDogRomania sie zuletzt gesehen hatte. Keine Ahnung, ob sie in der Mittagshitze nicht aus einem Erdloch gekommen war oder ich einfach überfordert war, sie in dem Gewusel zu erkennen. Zweimal habe ich nach ihr geschaut und sie nicht gesehen, erst bei meinem dritten Versuch, an den ich schon nicht mehr glaubte, war sie auf einmal da beziehungsweise erkannte ich sie. Nun ist sie dabei.

Auch Homer lebt schon länger in den bisherigen Death Kennels und ich war sofort hingerissen von ihm. Er lag, wie vor ihm schon Heinrich, besonnen und ruhig auf einer der noch zu wenigen Hundehütten und ertrug die Eintönigkeit stoisch. Ich hatte ja berichtet, dass ich auch nach Hunden geschaut habe, die dem Anforderungsprofil potenzieller Adoptanten entsprechen. Und Homer ist so einer, der nun schon Interessenten hat. Aber selbst wenn es nichts wird, weiß ich, dass dem älteren großen Kerl jeder Tag in unserem Tierheim in Hamburg wie ein Tag im Paradies vorkommen wird.

Und endlich Tuva. Sie wissen, sie ist lange für den Hamburger Tierschutzverein reserviert, aber zunächst hat eine schwere Bissverletzung und dann ihre Hauterkrankung die Ausreise vereitelt. Auch jetzt wird sie noch unserer weiteren intensiven Pflege bedürfen. Immer wieder hat sie sich auch ihre noch heilende Haut bei den Versuchen uns Tierschützerinnen hinterherzukommen an den Gittern ihres Geheges aufgerissen. Ihr Weinen ist kläglich, aber ich konnte es viel besser ertragen als das Weinen der anderen, denn ich weiß ja, was Tuva nicht mal träumen kann, sie wird bald in ihr neues Leben fahren.

Vino ist ein Hunde-Opi, der im sogenannten Vethaus lebt, in einem ganz kleinen Innenzwinger mit anderen kranken Hunden. Er selbst ist nicht mehr krank, aber die Tierärztin Irina hat ihn länger behandelt. Sie bringt es nicht übers Herz, ihn in einen der Ausläufe zu setzen, weil sie große Sorge hat, dass er da zum Opfer wird. Sie gewährt ihm aber täglich Auslauf auf dem Gelände, solange sie da ist und dann stromert er ein wenig umher. Die Leiterin unserer Seniorenstation im Tierheim, die unser Rumänienprojekt ganz wunderbar mitträgt, hatte ihn eh schon als einen der nächsten Kandidaten ins Auge gefasst und jetzt war mir klar, dass er unbedingt auf den nächsten Transport muss. Denn die drangvolle Enge in den 16 Innenzwingern des Vethauses ist für die vielen kranken Hunde dort kaum erträglich. Jeder der dort raus kann, ist auch ein Gewinn für die anderen.

Paula, eine junge Schönheit, aufgeschlossen und super verträglich. Sie gehört in die Kategorie der sehr gut vermittelbaren Hunde, denke ich, und damit hatte sie ihr Ausreiseticket.

Die Junghündin Gretel ist ein Jumper, das heißt sie ist eine von denen, die immer wieder aus ihrem Gehege klettern. An einem der letzten Tage habe ich viel Zeit mit den Rottweilern in ihren Einzelzwingern verbracht. Sie sind nun deutlich besser untergebracht als in den für sie klitzekleinen Außenzwingern des Vethauses, aber Räume, in denen ein Hund sein Leben verbringen sollte, sind es nun auch wieder nicht. Es ist wie so vieles im Lager nur die beste Lösung, die man derzeit dort verwirklichen kann. Nichts, was einen zufriedenstellen kann. Als ich meine Beobachtungsarbeit bei den Rottweilern abgeschlossen hatte, war Gretel, die da noch keinen Namen hatte, an meiner Seite und so blieb das dann auch für den Rest des Tages, stets war Gretel in meiner Nähe. Das Leben „free in the yard“ ist für die Hunde viel angenehmer, aber gerade so eine zarte junge Hündin wie Gretel kann da auch mal unter die Räder kommen, das sollte nicht passieren bis zum nächsten Transport, denn Gretel hat sich selbst ihr Ticket gesichert. Sie war jetzt eine aus dem Heer der Junghunde, die noch in keiner Galerie sind, die für mich ein Gesicht hatte.

Tic hat seinen Namen, da er nach einer überstandenen Staupe einen Tick zurückbehalten hat. Er zuckt ständig mit der Schnauze und dadurch speichelt er auch und schlabbert beim Trinken. Seine Fostermami Jeni hat mich ganz dringend gebeten ihn mitzunehmen, da er schon so lange bei ihr ist und in der Vermittlung – ohne dass die Leute ihn vorher kennen und schätzen lernen können – keine Chance hat. Jeni hat mir ganz genau gezeigt, wie man das Essen für Tic zubereiten muss, damit er eigenständig und gut essen kann. Sie formt aus Trockenfutter, Reis und Nassfutter einen Ball, den sie in die Mitte eines Napfes mit etwas höherem Rand legt, davon schnappt sich Tic dann erfolgreich Stücke ab. Jeni hat mir versprochen, sofort einen anderen Hund mit einem Staupetick zu sich zu nehmen, den ich zuvor im Lager gesehen hatte und dessen Tick weniger auffällig ist. Jeni beherbergt derzeit 31 Hunde in ihrem Haus, die allermeisten aus dem Lager Bucov. Wenn nun also Tic zu uns nach Hamburg kommen kann, hat auch noch ein weiterer Hund etwas davon. Außerdem geben diese Ausreisen auch von gehandicapten Pfleglingen der Fostermami Jeni die Kraft, ihre Tierschutzaufgabe weiter zu meistern.

Rosel, die Schreierin. Die kleine Rosel hat sich auf die Ausreiseliste geschrien. In den zwei Tagen, in denen die beiden Volontärinnen und ich mit Nachdruck an der Reinigung des Vethauses und dem damit möglichen Austausch der – Entschuldigung – völlig versifften Holzpaletten gegen Plastikkörbe gearbeitet haben, lebte die kleine Hündin noch im Vethaus. Dort ist es stets recht laut, aber wenn die Hunde sich an die Anwesenheit von bestimmten Menschen gewöhnt haben, wird es etwas besser. Nicht so bei Rosel, sie hat immer lauter geschrien, gejault und verzweifelt versucht, zu uns zu kommen. Nachdem ich sie einmal in ihren Zwinger zurücksetzen musste, weil sie sich durch ein Loch im Drahtgeflecht durchgequetscht hatte, gab es gar kein Halten mehr. Nachdem sie einmal auf meinem Arm war, hat sie noch viel lauter nach mir geschrien. Wir haben sie dann aus dem Vethaus, da auch sie dort nur noch saß, weil nirgendwo Platz für so einen kleinen Hund war, in das von meinem kleinen Auslandstierschutzverein finanzierte Gehege gesetzt. Auch dort hat sie uns stets herbeigeschrien, aber es geht ihr dort schon mal besser. Doch da dieses Gehege ja eigentlich den vielen Welpen dienen soll, reist sie mal besser ganz schnell nach Hamburg. Ich habe sie Rosel genannt und ich kann schon jetzt sagen, sie ist kein Hund, der alleine bleiben kann.

Liviu ist ein ganz fröhlicher, junger Kerl, der für mich wieder in die Kategorie der gut vermittelbaren Hunde fällt. Er lebt zusammen in einem Gehege mit dem schwarzen kleinen Karl, für den ein Tierschutzfreund von Mihaela das Ausreiseticket in Höhe von 150 Euro übernehmen möchte, wenn der kleine Rüde endlich ausreisen kann, und mit einer reizenden Junghündin, die nun Margo heißt. Ich fand den Gedanken tröstlich, dass die drei zusammen kommen können und Gretel sicher gut zu dem Trio passt und gleich Spielkameraden hat. In diesem Gehege leben nun noch vier Hunde, zwei davon, die sehr schön und aufgeschlossen sind, habe ich mir gemerkt und wenn sie nicht auf anderem Wege in ein neues Leben finden oder ihr Leben in Bucov lassen, werden auch sie noch vor dem Winter zu uns kommen. Zwei andere, noch sehr schüchterne, kleine Hündinnen aus diesem Gehege, die mich stets nur gemeinsam aus ihrer Hundehütte misstrauisch beäugt haben, bräuchten spezielle Pflegeplätze in Deutschland. Ein Tierheim wie das unsere ist für so schüchterne Hunde nur im absoluten Ausnahmefall der richtige Ort. Sicher ist es hart, wenn man auswählt, wer eine Chance bekommt und wer nicht, aber nach meiner Ansicht leiden die Hunde, die den Menschen meiden, in Bucov deutlich weniger als die Hunde, die die Nähe des Menschen suchen und häufig genug gerade mit diesem Verhalten die dortigen Arbeiter provozieren und ständige Zurückweisung erfahren.

Und dann ist da noch Friedel, auch so einer, der irgendwann aus seinem Gehege oder Zwinger ausgebüxt ist und keine Lust hat, da drin wieder zu leben. Auch er lebt „free in the yard“, aber immer wenn man schaute, war der kleine Kerl da, wo mehr als ein Mensch war, war auch Friedel und immer freundlich und höflich. Setzte man sich auf eine Bank, um zum Beispiel eine Fruchtschnitte zu essen, war – schwupps – Friedel unter der Bank und grub sich eine kleine Kuhle. Er ist kein Raufer, kein Angsthund, einfach ein toller stiller Begleiter. Klar, mal ordentlich mitkläffen mit den anderen, das geht schon auch. Aniela war sehr froh als ich ihn auswählte und ihm einen Namen verpasste. Hunde mit Namen haben schon eine Stufe auf dem langen Weg in ein gutes Leben außerhalb des Lagers erklommen, ohne Namen ist Hund hier gar nichts, besser Hund hat noch ein Foto und eine Beschreibung. Aber dafür muss auch jemand Zeit haben und das ist schwer, sind doch stets Notfälle, Neuankömmlinge und tausend andere Aufgaben auch zu erledigen.

Mittlerweile bin ich am Flughafen von Bukarest und auch die Fahrt hierher war nochmal ein besonderer Teil meiner zweiten Tierschutzreise nach Rumänien. Mihaela holte mich ab und wir machten uns auf den Weg und bereits am anderen Ende von Ploiesti, vor dem Standesamt, fiel uns, während wir an einer Ampel standen, eine kleine ältere Hündin mit einer deutlichen Hauterkrankung auf. Sie lief verwirrt zwischen den vielen Passanten, die sich nicht kümmerten, auf und ab. Wir verständigten uns kurz, dass wir versuchen wollten, sie einzufangen, aber ohne jeden Stress. An dieser viel befahrenen Straße hatten wir Angst, dass sie zwischen die Autos läuft. Mihaela parkte sobald möglich schräg auf dem Bürgersteig und ich versuchte, sie zu locken. Sie kam auch auf mich zu, dann hielt sie kurz inne, ich versuchte es ein zweites Mal mit Trockenfutter, tatsächlich war sie daran nicht interessiert, näherte sich aber meiner Seite, sodass ich sie ohne Weiteres hochnehmen und ins Auto tragen konnte. Da hat meine Sitznachbarin im Flugzeug aber Glück gehabt, dass die Omi nicht Kot oder Urin hat fließen lassen, saubere Sachen zum Wechseln hatte ich keine mehr.
Mihaela sagte mehrfach auf der Fahrt, dass es immer wieder so sei, nirgendwo könnte man unterwegs sein, ohne auf einen Hund zu treffen, der Hilfe benötigt und sie sagte auch mehrfach, dass es Schicksal war, dass die alte gebrechliche Omi genau dann vorbeikam, als wir in der Ampelschlange halten mussten. Sie lag die ganze Fahrt ganz ruhig auf der Rücksitzbank, wollte weder Wasser noch Trockenfutter. Als ich sie so angelehnt an meinen Rucksack erschöpft dösen sah, war ich mir ganz sicher, sie hat Hilfe gesucht und ich bin dankbar, dass sie sie in Mihaela und mir finden konnte. Am Flughafen nahmen Mihaela und ich sehr bewegt, aber auch flott voneinander Abschied, denn nun war es wichtiger, die Hündin in eine Tierklinik in Bukarest zu bringen, mit der Aniela und Mihaela zusammenarbeiten.

Auf dem Flughafengelände angekommen dann die nächste Überraschung: Vor mir sehe ich eine Gruppe von Leuten mit drei Flugboxen mit Hunden. Ich bin zu ihnen, habe mich vorgestellt und erfuhr, dass ich Garofita Hofmann von Dog Rescue Romania und Tierschützer aus der Schweiz getroffen habe. An diesem schweren letzten Tag ein echt gutes Gefühl zu sehen, dass wir eine Gemeinschaft sind, die über Grenzen hinweg agiert. Für Robert Goldbach, der schon oft in Bucov geholfen hat und den die Tierschützerin von Dog Rescue Romania ganz wunderbar lobte, wurde ich gebeten, Grüße mit nach Deutschland zu nehmen. Die Tierschutzwelt ist klein, aber glücklicherweise auch nicht mehr sooo klein.

Nach der Gepäckaufgabe streife ich durch den Duty-Free- und Essbereich in der festen Überzeugung, dass hier für mich nichts interessant ist. Dann sehe ich den Falafelstand, der mit Veggie-Essen wirbt und ich bin hocherfreut, nehme ein hervorragendes veganes Essen zu mir und glaube kurz daran, dass Tierschutzfortschritt möglich ist, auch in Rumänien. Liebe Tierschutzreisende, bitte esst an diesem Stand, damit er überlebt in der Tierqualwelt von Burgern und Whoppern um ihn herum.

Nun bin ich zuhause. Ich kann noch kein Resümee dieser zweiten Rumänienreise ziehen, dafür ist alles noch zu dicht an mir dran und ist das Gefühl, einem übermächtigen Elend gegenüber gestanden zu haben, zu vorherrschend. Die Betrachtung der Bilder, die ich in den letzten beiden Tagen gemacht habe und die ich nun versuche für diesen Bericht auszusuchen, nehmen mir den Atem und treiben mir die Tränen in die Augen. Nichts kann wiedergutmachen, was der Mensch allerorten anderen Lebewesen, auch denen seiner eigenen Spezies, antut. Der Leiter der Baumaßnahmen für das Wasserprojekt hat zu mir an einem Tag gesagt, da kann nur Gott helfen. Da habe ich ihm in meinem schlechten Englisch in einem Gefühlsausbruch heftig entgegnet, es gibt keinen Gott und wenn doch, dann ist das hier nicht sein Job. Den Streunern Rumäniens zu helfen ist unser aller Job, denn wir Menschen haben diese Situation verschuldet. Kein Gott und kein Hund können etwas dafür. Ich glaube, er und sein etwas betroffen dreinblickender Mitarbeiter haben mich ein wenig verstanden oder auch nicht.

Ihre Sandra Gulla