Wie sucht man sich ein Tier aus? 

Erstes Kriterium ist bei den allermeisten Menschen das Aussehen. Auch nicht verwunderlich, nimmt doch das menschliche Säugetier seine Umwelt zuerst und am intensivsten über den Sehnerv wahr. Vielfach werden ja auch die menschlichen Partner über die Fotogalerien von Internetpartnerbörsen gesucht. 

Doch auch bei Hund oder Katze sollten ganz schnell und den ersten Impuls der ansprechenden Optik überstrahlend, andere Kriterien bei der Auswahl den Ton angeben. Wichtig ist es zu schauen, ob das was ich als Tierhalter zu bieten habe, den Bedürfnissen des Tieres gerecht wird. Und dann sollte ich die Möglichkeiten der fachkundigen Beratung im Tierschutz für mich nutzen. 

Beim Hund kommt es ganz wesentlich darauf an, ob der Energielevel des Hundes und mein Energielevel auf dem gleichen Niveau sind. Ein energiegeladener, lauffreudiger Junghund kann keinen Stubenhocker als Herrchen gebrauchen. Und ein ruhiger, Muße liebender 50 kg Hund möchte nicht von den sportlichen Ambitionen seines neuen Frauchens gestresst werden. 

Hier sollte man ehrlich zu sich selber sein und aufrichtig beantworten: Was bin ich zu leisten in der Lage und was bin ich zu leisten bereit, um den Bedürfnissen meines neuen Tieres gerecht zu werden. Hierzu gehört für mich auch, dass man sich sein eigenes Alter bewusst macht. Denn einerseits passt der Energielevel von Katzen- oder Hundewelpen und von menschlichen Senioren in der Regel nicht zusammen und andererseits ist da auch die Frage der realistischen Lebenserwartung von Mensch und Tier. Die Frage, was passiert mit meinem Tier, wenn ich es selbst nicht mehr versorgen kann oder wenn ich versterbe, gehört zu dieser ehrlichen Bestandsaufnahme.  

Mich packt die Wut, wenn ich mitbekommen muss, dass ein acht Monate alter Schäferhundrüde von seinen Haltern abgegeben wird, weil er zu lebhaft ist. Was haben sich diese Leute gedacht, als sie den Welpen (was mich nicht wunderte) beim Züchter gekauft haben? Dass er vom Babysein direkt ins ruhige ältere Erwachsenendasein überwechselt? 

Wie oft hätten die genügsamen, älteren Tiere oder die anpassungsfähigen, nach gängigen Vorstellungen aber nicht so schönen Tiere eine bessere und schnellere Vermittlungschance, wenn der Mensch seine Kriterien überdenken würde. 

Ein Mensch, der seine menschlichen Freunde nach Rasse (rein!), Aussehen (gut!), Gesundheitszustand (perfekt!) und Alter (jung!) aussucht, wäre uns mehr als suspekt. Warum glauben wir dann aber immer noch, dass es richtig ist, sich so seine tierlichen Freunde auszusuchen? 

Dass ein anderer Weg viel erfüllender ist, konnte ich gerade erst wieder selbst erfahren. Durch den Tod meiner alten Katzendame war bei mir wieder ein Platz frei. Ich ließ mir einfach im örtlichen Tierheim Tiere empfehlen. So kam ich zu Moritz und Susi, einem Katzenpärchen, das Freigang wünscht, aber große Hunde bereits kannte. Vom ersten Tag an hat es mit den Beiden prima geklappt und sie haben sich hervorragend in mein kleines Rudel eingefügt. Unvorstellbar, dass die beiden über Monate keinen einzigen Interessenten hatten.  

Wie traurig, wenn die Menschen nur mit den Augen schauen, haben die denn nicht dem Fuchs zugehört: „Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ (aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry)  

Und für mich ist klar, wer heute noch sein Heimtier beim Züchter kauft, der hat noch nicht einmal das kleine Ein mal Eins des Tierschutzes verstanden. Ich unterscheide bewusst nicht zwischen Vermehrern und vermeintlich guten „Liebhaberei“-Züchtern. Die Tierheime sind voll mit Tieren und die Tierschutzportale im Internet bieten uns die Chance, Tiere aus dem In- und Ausland kennen zu lernen, die in Auffangstationen oder Pflegestellen auf ein neues Zuhause warten. Bei so viel Überangebot ist es verantwortungslos, weiter Tiere zu produzieren. 

Und Freunde kauft man nicht, Freunde adoptiert man! 

verfasst August 2012