Vor dem Schnitzel kommt der Tod  

So einfach ist das und auch so ungeheuerlich. Die allermeisten Menschen in unserem Kulturkreis essen Tiere, die allerwenigsten von ihnen haben dafür schon mal ein Tier getötet. Die allermeisten würden für ihr Schnitzel, Würstchen oder Steak auch nicht selbst töten wollen. Viele sind nicht mal bereit sich anzuschauen wie Tiere in unseren Schlachtfabriken, die schon ewig keine Höfe mehr sind, getötet werden. Ich lasse mir erklären, dass man Kindern nicht zeigen darf, wie Tiere gehalten und getötet werden, sie von klein auf daran zu gewöhnen selbstverständlich Fleisch zu essen, ist aber völlig legitim.  

Aber ein bisschen was tut sich, jedenfalls in den Rechtfertigungen für das „normale“ Konsumverhalten. Immer häufiger wird mir erklärt und lese ich, man esse ja nur Fleisch von Tieren aus guter Haltung, wo man weiß, wo sie herkommen. Tja.

Deutschland produziert weltweit das meiste und billigste Schweinefleisch. In einer Schlachtfabrik des Tönnies Konzern werden pro Tag 11 Tausend Schweine getötet. Um den Fleischhunger der Deutschen und mittlerweile immer mehr anderer Länder zu befriedigen. 0,5 Prozent des in Deutschland verzehrten Schweinefleischs stammt aus Biohaltung. Bei Bio ist die Haltung der Tiere besser, wenn auch lange nicht artgerecht. Bei anderen Tierarten sehen die Verhältnisse nicht grundlegend anders aus.  

Ich schreib es mal schlicht: Die meisten Menschen, die behaupten, sie würden beim Kauf auf die Haltungsbedingungen achten, sagen nicht die Wahrheit, sondern tischen mir eine Ausrede auf. Die letzte Neuland-Metzgerei in der Millionenstadt Hamburg musste schon vor sieben Jahren schließen, keine ausreichende Nachfrage nach Fleisch aus artgemäßer Tierhaltung.  

Und dann schauen wir doch bitte nochmal ganz genau auf diese Argumentation: Ist es tatsächlich legitimer, anständiger, gerechter oder was auch immer ein Tier zu töten, das ein gutes Leben hatte? Welche Logik -wenn es überhaupt eine ist- verbirgt sich dahinter? Dass das Tier dankbar sein muss, für sein gutes Leben und das seinen Tod rechtfertigt? Wäre es nicht besser das Tier vorher elendig zu halten, so könnte es seinen Tod vielleicht als Erlösung wahrnehmen?  

Ach bitte, eines niemals vergessen, es ist immer ein gewaltsamer Tod. Es ist kein Freiwilliges aus dem Leben scheiden, es ist auch kein friedliches Einschlafen wie wir es für unsere Haustiere bei der sog. Einschläferung kennen und wünschen. Es ist ein gewaltsames Töten junger Tiere, die sich wehren, die Todesängste durchmachen und aufgrund der hohen Fehlbetäubungsraten  Todeskämpfe mit entsetzlichen Schmerzen durchleiden, bevor sie Wurst werden. 

Wir wissen heute Schweine sind mindestens so intelligenter wie Hunde, niemand spricht ihnen mehr Schmerzempfinden und Leidensfähigkeit ab, sie gehen freundlich und zugewandt auf uns Menschen zu und akzeptieren uns schnell als Sozialpartner. 

Wenn ich Ihnen heute darüber berichten würde, wie Hundefänger in Rumänien Straßenhunde einfangen, wie sie behandelt werden und mit welchen Methoden sie von ihnen in etlichen staatlichen und privaten Einrichtungen getötet werden, hätte ich ihre ganze geballte moralische Empörung auf meiner Seite. Manche würden sich im Ton vergreifen und ihrem Hass auf dieses Tun keine Grenzen mehr setzen. 

Wenn ich Ihnen aber schreibe, dass viele Menschen aus den Armenhäusern Europas Rumänien und Bulgarien in unseren Schlachtfabriken als Lohnsklaven für Stundenlöhne von drei Euro ungelernt im Akkord in teilweise 10 Stunden Schichten Tiere für uns töten, habe ich da auch Ihre moralische Empörung auf meiner Seite? Wegen der seelenzerstörenden Arbeit, die wir diesen Menschen zumuten, damit wir Freude am Steak haben und Freunde zum Griechen einladen können. Oder ist uns das einfach nur recht, dass diese Menschen für uns diesen erbärmlichen Job machen und wollen wir von all‘ dem einfach besser nichts wissen um uns unsere Sommerlaune am Grill nicht zu verderben? 

Ich meine es ist das größte Oxymoron unserer Zeit zu behaupten, Tiere zu lieben und sie zu essen. 

Tiere hängen an ihrem Leben. Wie sehr durfte ich schon mehrfach in meinem Tierschützerinnen-Leben erleben. Zuletzt bei einem gelähmten bis auf die Knochen ausgemergelten rumänischen Straßenhund, der nur noch wenig behaart, dessen Haut aufgrund der Parasiten und der Hungerödeme aufgeplatzt war und dessen Hinterbeine durch das Hinterherschleifen wie Froschfüße aussahen, weil sogar die Knochen schon abgeschabt waren. Ich wollte ihn einschläfern, also töten lassen. Als ich ihn auf den Arm genommen hatte, ein Fliegengewicht trotz seiner Größe, hat er sich gefreut und mir das Gesicht geleckt. Ich spürte mit jeder Faser meiner selbst seine Lebensenergie. Er, der dem Tod so viel näher war als dem Leben, wollte nicht sterben, wollte nicht erlöst werden. Ich hab ihm gehorcht. Jul führt heute ein glückliches Leben in Hamburg, mit seinem Rollstuhl rast er durch die Gegend. Für ihn konnte ich was tun. 

Wie sehr wünsche ich mir, mit meinen Zeilen etwas für die namenlosen Schweine, Rinder und Hühner tun zu können. 

verfasst Juli 2017