Mutterleid und totgeschlagene Ferkel 

58 Millionen Schweine werden jährlich allein in Deutschland geschlachtet. 

Muttersauen müssen dafür in einem Martyrium von Zwangsbesamung, Werfen, Entzug der Ferkel und wieder Zwangsbesamung ihr Dasein fristen. Muttersauen werden in Stahlkäfigen gehalten, in denen sie nur stehen oder liegen können, nicht mal das Drehen um die eigene Achse ist den Müttern möglich. Ein Leben auf Spaltenboden über den eigenen Exkrementen. Sie sehen mit an, wie ihre neugeborenen Ferkel, die für nicht produktiv gehalten werden, durch Tritte oder Schlagen gegen die Stahlrohre des Gefängnisses ihrer Mutter getötet werden.

Für Mickerlinge hat man nichts übrig in der Schweineproduktion. Durch die Enge ihres Käfigs haben die Muttersauen keine Möglichkeit, sich angemessen um ihre verbleibenden Kinder zu kümmern. Alsbald werden ihnen ihre Ferkel weggenommen. Auf die Ferkel warten die Mast in vergleichbar entsetzlichen Verhältnissen und der Tod im jugendlichen Alter durch Schlachtung. 

Schweine sind fürsorgliche und bemühte Mütter, wenn man sie lässt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Muttersauen sogar versuchen, die Geburt heraus zu zögern, wenn sie noch kein Nest für ihre Ferkel gebaut haben. Hierzu haben sie keine Chance in der industrialisierten Tierhaltung, sie müssen ihre Ferkel auf verkoteten Betonspalten gebären. 

Wir pressen diese Tiere in eine Haltung, in der sie nicht leben können, schwere Verhaltensstörungen sind die Folge. Wie sollten sie auch nicht wahnsinnig werden in diesen unerträglichen Zuständen? 

Aber wir wollen wohl auch gar nicht, dass sie leben. Wir wollen, dass sie sterben für unser Fleisch. 

In der Tierproduktion ist entscheidend, wie viel kg Schwein auf einen qm Stallfläche passt, nichts sonst. Und ist das nicht auch nachvollziehbar, wenn der Erzeuger an einem Schwein 5  10 Euro verdient nach ca. 120 Tagen MastEr produziert was der Markt verlangt. Billiges Schweinefleisch. 

Nur 5 % der deutschen Schweineställe werden pro Jahr kontrolliert von Amtsveterinär*innen oder Aufsichtsbehörden. Ein unhaltbarer Zustand. So richtig will wohl keiner wissen, wie es dort aussieht. 

Und als ob das nicht schon genug des Wahnsinns wäre, wird ein Drittel dieser gemarterten Tiere ganz umsonst produziert, denn sie werden zu Abfall. In Kantinen, im Supermarkt, in privaten Haushalten. Allein in einer Hamburger Biogasanlage werden jährlich 20.000 Tonnen Fleisch „verwertet“. 

In den Tierfabriken herrschen Angst und grenzenlose Trostlosigkeit. 

Der Mensch hat ab einem bestimmten Alter in entwürdigenden Lebenssituationen das Prinzip Hoffnung, das ihn trösten kann. Bisher kenne ich keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die mir erlauben, anzunehmen, dass auch Tiere über diese Fähigkeit zur Hoffnung oder auch zum Glauben verfügen. Vielmehr geht man davon aus, dass Tiere deutlich mehr im Hier und Jetzt, in der ganz konkreten Situation leben. Das heißt aber eben auch, dass die Schmerzen, die Angst, die Trauer ohne jeden inneren Trost das Tier beherrschen. Das Tier hat der Situation nichts entgegenzusetzen, das Tier ist der Situation völlig ausgeliefert. Dieser Gedanke macht für mich die Beschäftigung mit dem Elend der Tiere in der Massentierhaltung fast unerträglich. 

Als Tierschützer*innen würden wir jeden der Mickerlinge mit aller Fürsorge und Hingabe aufpäppeln, wir würden trauern, wenn er nicht überlebt und uns riesig freuen, wenn er zu einem munteren Jungschwein heranwächst. Wir würden wir alles dafür tun, um ein artgemäßes Zuhause zu bieten oder zu finden, in dem er bis an sein natürliches Ende sicher leben kann. 

Warum nur sind wir in der Lage, solche Unterschiede zwischen den Tieren zu machen, die wir kennen und denen, die wir nicht kennen.  

Wir sollten die namenlosen Ferkel und ihre Mütter kennen lernen! 

Ich bin aber auch fest davon überzeugt, dass es dem Menschen möglich ist, Mitgefühl für die ihm unbekannte Kreatur zu entwickeln. Als Einzelner, wenn er es denn will und als Gesellschaft, wenn genügend Einzelne es wollen.  

Jedenfalls hoffe ich, dass das unser nächster Entwicklungsschritt in der menschlichen Evolution ist: Mitgefühl mit dem unbekannten Mitgeschöpf. 

verfasst Februar 2014