Ein Label macht noch keinen Tierschutz 

Was habe ich gelacht über einen Vorstoß des Bundeslandwirtschaftsministers Schmidt, dass Bezeichnungen wie vegane Wurst odevegetarisches Schnitzel die Verbraucher irreführen würden und daher verboten gehören. Die Reaktionen darauf, gerade auch in den sozialen Medien, waren wirklich zum Piepen: Mal wurde von dem vermeintlichen Skandal berichtet, dass in Teewurst kein Tee ist, mal wurde gefragt, was denn zukünftig im Jägerschnitzel drin sein muss, damit es so heißen darf 

Wo ist der Herr und wo waren alle seine Vorgänger, wenn es darum geht, uns vor wirklicher Verdummung zu bewahren? In der Werbung ist es heute noch ok, dass die Sennerin in einem Käse-Fass verliebtlächelnd rührt, während neben ihr freilaufende Kälbchen glücklich vor sich hin blöken oder so ähnlich. 

Ich gehöre zu einer Generation, der mit den Abermillionen D-Mark kostenden Werbekampagnen der CMA – einer aus Zwangsabgaben der Erzeuger finanzierten Marketingagentur – das Gehirn gewaschen wurde: Fleisch ist ein Stück Lebenskraft! oder „Die Milch machts!. Diese Slogans werde ich mein Leben lang nicht vergessen; mit ihnen wurde für einen grenzenlosen Konsum tierlicher Lebensmittel geworben.  

Ganz besonders irreführend waren und sind Kennzeichnungen: Da bekommen tierliche Produkte ein Qualitäts-Siegel „QS“, weil sie gesetzliche Standards einhalten. Ja, sach bloß!“, kommentierte meine Großmutter immerwenn ihr Selbstverständlichkeiten als Besonderheit verkauft werden sollten. 

So plump läuft das heute nicht mehr, aber eben auch nicht viel raffinierter. Jetzt wird ein Millionenetat an Steuermitteln für ein staatliches Siegel ausgegeben, um tierliche Produkte zu kennzeichnen, die einen Hauch Verbesserung bedeuten. Ob dieses Siegel wirklich weniger Folter für die Tiere bedeutet, dafür wird es sicher wieder irre viele und unwichtige Forschungsaufträge geben. 

Jeder Mensch mit nur ein bisschen Verstand und Empathie könnte bewerten, wie die Haltungsbedingungen für die Tiere sind, wenn er in einer entsprechenden Mastanlage stände. Nur stehen wir da eben nie. Wir lassen uns lieber weiter irreführen. 

Und dann wird dieses mit Millionen von Steuergeldern gepuschte, staatliche Label auch noch ein freiwilliges sein! Nein, man kann die Industrie doch nicht zwingen, die Tiere ein bisschen weniger zu quälen. Da müssen die schon selbst drauf kommen  Wäre es nicht so traurig, könnte ich mich jetzt schon wieder ausschütteln vor Lachen! 

Ich halte auch von den vielen Tierschutzsiegeln nichts und war hoch erfreut, als sich Ende 2016 nach und nach alle beteiligten Tierschutzverbände aus der „Initiative Tierwohl verabschiedet haben. Da sollte gemeinsam mit der Erzeugerindustrie eine gemeinsame Kennzeichnung für vermeintlich tierfreundlicher hergestellte Produkte geschaffen werden. Nur mussten die Tierschutzvertreter schnell einsehen, dass die Agrarindustrie genauso weitermachen wollte wie bisher, eben nur mit einem neuen umsatzfördernden Label.  

Mir wird nach all den Jahren im Tierschutz fast übel, wenn ich das Wort Tierwohl höre. Es hat so gar nichts mit dem zu tun, was man sich darunter vorstellt. Es klingt so wohlig und angenehm, und ist doch nur eine neue Irreführung bei der bestialischen Ausbeutung unserer Mitgeschöpfe. 

Ich bin aber auch keinUnterstützerin der verschiedenen Labels von Tierschutzorganisationen. Ich meine, es ist – wenn überhaupt – die Aufgabe von Tierschutzorganisationen, auf verbindliche staatliche Kennzeichnung tierlicher Lebensmittel zu dringen und auf die Festschreibung tatsächlicher gesetzlicher Verbesserungen zu pochen. Bei allem anderen wird man Teil der VerbrauchertäuschungDie Tierleidproduzierende Industrie ist viel zu mächtig, viel zu groß, um sich tatsächlich vom Tierschutz kontrollieren zu lassen. Daran scheitern doch ununterbrochen alle staatlichen Stellen, auch die, die es gerne wollen. 

Aber ein anderer Gedanke ist gänzlich ausschlaggebend, nach all den Jahren der Beschäftigung auch mit der sogenannten „Nutztierhaltung bin ich mir sicher: Dieses System der Massentierhaltung und der Lebensvernichtungsmaschinerie ist nicht reformierbar. Es ist so wenig reformierbar, wie es die Atomkraft ist. Es muss abgeschafft werden. Ob wir dafür ein Fukushima der industriellen Tierhaltung brauchen, wird sich zeigen. Mit unseren globalisierten Märkten für Tierleid, den länderübergreifenden Tiertodestransporten und immer neuen Grenzen des angeblich Machbaren arbeiten wir schon kräftig daran. Schauen wir uns nur die Geflügelpest an. Aber das führt hier zu weit  

Das System funktioniert nur weiter, wenn wir uns immer wieder irreführen lassen und wegschauen. 

Viele Menschen befreien sich zum Teil oder gänzlich vom Konsum tierlicher Produkte. Das ist wunderbar. Aber das reicht nicht. Die aktuellen Schlachtzahlen zeigen, dass noch nie so viele Tiere in Deutschland getötet wurden wie 2016. Wir exportieren den Tod  „Made in Germany. Deshalb reicht es nicht, im Privaten anders zu handeln. Wir müssen auch immer und überall klar und deutlich Position beziehen.  

Deutschland ist mit seiner Massentierhaltung und seinen effizienten Schlachthöfen Vorbild für viele andere gewesen, wir exportieren nicht nur die Tierleichen, sondern auch unser Knowhow im Foltern und Töten von Tieren. Deshalb brauchen wir einen Gegenentwurf. Genau WIR müssen beispielgebend dafür sein, dass es auch anders geht. Und es laut sagen, ohne Angst, uns lächerlich zu machen, ohne Angst, dafür ausgegrenzt zu werden. Denn das ist alles nichts gegen das, was jede Stunde Abermillionen Tiere in der Produktion erleiden. 

Ach, der Herr, mit dem ich eingangs begonnen habe, hat neue Chefveterinäre eingestellt in seinem Ministerium – zur Exportförderung.  

verfasst Februar 2017