25 Jahre im Tierschutz 

Vor ein paar Tagen bin ich fünfzig Jahre alt geworden. Das hat mich sehr gefreut, heißt es doch mir war schon ordentlich Leben vergönnt und ich habe eine gewisse Reife erlangt, die mich festigt und trägt. Andererseits die Hälfte meiner Lebensmöglichkeit ist um, na ja tatsächlich gehe ich eher davon aus 2/3 habe ich verbraucht. Und so war sicher nicht nur für mich der 50. Geburtstag Anlass zurück und nach vorne zu schauen.

Die Hälfte meines bisherigen Lebens engagiere ich mich im Tierschutz, selten nur nebenbei, die meiste Zeit mit dem mir bestmöglichen Einsatz. Und eine Gewissheit gibt es für mich: So wird das auch bleiben. 

Allerdings hätte ich mir vor 25 Jahren nicht träumen lassen, dass ich heute noch genau dieselben Diskussionen führen muss wie damals. Meinen organisierten Tierschutz startete ich als Gassigängerin und Katzenstreichlerin im Bonner Tierheim und war entsetzt und betroffen, dass die so zuverlässigen und fleißigen ehrenamtlich Aktiven gar kein Problem damit hatten, sich mit vollem Elan um einen verhaltenskomplexen Hund zu kümmern oder ohne Ekel einen Perserkater von seinem Fell-Kot-Panzer frei zu scheren, aber nach getaner Arbeit halbe „Hähnchen“ (die ja bekannterweise auch Hühnchen sind) oder aber Gyros gemeinsam fröhlich zu verspeisen. Ich dachte damals, das ist nur eine Phase. Eine Phase, die wir alle gemeinsam bald überwunden haben. Dann meint Tierschutz: Tierschutz und nicht Schutz für das Tier, das mir beliebt.  

Ich hielt aufgrund der für mich so elementaren Notwendigkeit unser Mitgefühl auf alle Tiere auszuweiten den Weg in den sog. Nutztierschutz für hilfreich. Das war er allemal. Ich lernte dort sehr viel. Bis dato hatte ich ein Gefühl zur industrialisierten Tierhaltung, aber dort lernte ich die Fakten und damit das Grauen kennen. Ein Grauen, das ich mir in allen seinen perversen Auswüchsen niemals hätte vorstellen können, eine Gnadenlosigkeit, die ich dem Mensch nicht zutrauen wollte. Es war eine Zeit der platzenden Illusionen, ich lernte auch für mich schmerzhaft, dass es eine gewaltfreie, gerechte Nutzung von Tieren zu Ernährungszwecken des Menschen nicht gibt. Und begriff damit, wie weit der Weg sein würde, auf den wir uns begeben müssen. Und wenn ich das hier so schreibe, wird mir leicht übel und ich fühle mich benommen. Ich erinnere mich daran wie mir in diesen Jahren das Gefühl der Ohnmacht vor dem uferlosen Unrecht zum ständigen Begleiter wurde und wie hart ich doch manchmal kämpfen musste, um mich der nicht zu ergeben. 

Kurzum ich habe nicht aufgegeben, aber ich habe mich mächtig geirrt, auch 25 Jahre später ist die Nutzung von Tieren zu menschlichen Zwecken selbst bei Tierfreunden noch sehr selbstverständlich. So selbstverständlich, dass das Bundesverwaltungsgericht zwar gerade festgestellt hat, dass das Schreddern/Vergasen der männlichen Küken millionenfach aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht durch das Tierschutzgesetz gedeckt ist. Mithin kein vernünftiger Grund für die Tötung dieser Tierbabys existiert. Aber da es eh gesellschaftliche und weitestgehend akzeptierte Realität ist, auch noch ein bisschen so weitergehen kann bis man andere wirtschaftliche Möglichkeiten gefunden hat. Vor fast 20 Jahren war ich als Vertreterin des Tierschutzes zu einer Podiumsdiskussion in Berlin eingeladen um über Sinn und Zweck einer (Bundes-) Verbandsklage zu referieren und zu diskutieren. Als ein Beispiel für das unerträgliche Unrecht in der Tierhaltung, dem ich meinte mit einer Verbandsklage anerkannter Tierschutzverbände auf dem rechtlichen Weg beikommen zu können, hatte ich mir das „Kükenschreddern“ ausgewählt. Der Präsident des Bauernverbandes, der mit mir diskutieren sollte (eigentlich muss ich schreiben einer der Präsidenten, denn im Bauernverband wimmelt es nur so von Präsidenten) behauptete zunächst, dass ich die Unwahrheit berichten würde und es ein millionenfaches Töten der männlichen Küken überhaupt nicht gäbe. Er, der ältere seriöse Herr mit eigener großer Nutztierhaltung stellte mich als unerfahrene überspannte Vegetarierin dar, die wahrscheinlich wolle, dass wir uns alle nur noch von Wurzeln ernähren. Die blöden Lacher hatte er auf seiner Seite. Ich mochte es nicht lächerlich gemacht zu werden vor so viel Publikum, konnte aber doch noch wahrnehmen, dass etliche der Teilnehmenden sehr ruhig wurden und mir aufmerksam zu hörten. Da war ich fest überzeugt, wenn die Leute erstmal alle wissen, dass man die Jungs der Legerassen nicht braucht und ihr so zartes Leben einfach zerstört, nur um Eier zu produzieren, wird das Ei für die allermeisten ungenießbar. 

Weit gefehlt. Und so frage ich mit natürlich, ob ich weitere 25 Jahre die gleichen Diskussionen führen muss oder ob ich eine Chance habe in meinem Leben noch zu erfahren, dass wir als Menschen wirklich einen Stück auf dem ethischen Weg vorankommen. 

Oft bin ich irritiert, wenn Leute meiner Generation oder auch noch älter fordern, dass erst noch mehr aufgeklärt werden muss über „Nutztierschutz“ und man noch keine Handlungen erwarten kann. Da frag ich mich dann schon in welcher selbst verschuldeten Erkenntnislosigkeit die die letzten 30 Jahre verschlafen haben. 

Es ist alles offenbar, wir müssen handeln. Bei vielen jungen Tierschützerinnen und Tierschützern erlebe ich einen umfassenderen Zugang zum Tierschutz und das gibt mir Hoffnung und Zuversicht. 

Und daher freue ich mich sehr, dass wir auch im Vorstand des Hamburger Tierschutzvereins mittlerweile junge Frauen haben, die mit viel größerer Selbstverständlichkeit Tierschutz als Alle-Tiere-Tierschutz definieren und leben als das in meiner Generation üblich war und ist. 

In den nächsten 25 Jahren müssen wir einfach was Vernünftiges für die Tiere zustande bringen! 

verfasst Juni 2019