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Bis es sich ändert! 

Die ersten Bilder aus der Undercover-Recherche im LPT trafen mich, aber als nach der Fernsehausstrahlung auf der Soko Tierschutz-Seite ein langes Video veröffentlicht wurde, fühlte ich mich wie eine Ertrinkende in einem See aus Entsetzen und Trauer. Die Bilder dieser Angst, dieser Schmerzen, das Krepieren der Tiere und dann das Wissen: das geht seit Jahrzehnten so! 

Als Tierschützerin weiß ich, dass ich nicht lange in diesem Zustand verharren kann und bald stellte sich auch tiefe Dankbarkeit ein, dass Friedrich Mülln und sein Team, allen voran der verdeckte Ermittler uns diese Bilder zugänglich gemacht haben.

Gleich am nächsten Tag besprachen wir im Vorstand, dass wir uns so gut es nur geht in die Proteste gegen das LPT und die Tierversuchspraxis einbringen werden.

Werden Affen im Tierversuch benutzt, sieht das Gesetz üblicherweise eine jährliche Kontrolle vor, bei Hunden, Katzen und anderen Tiere nur alle drei Jahre. Es war zu lesen, dass das LPT in den letzten fünf Jahren neun Mal behördlich kontrolliert wurde. Ich habe dann gleich nachzählen lassen und dabei kam heraus, dass der HTV allein in diesem Jahr bisher sieben größeren nicht oder nur unmittelbar zuvor angekündigten Kontrollen durch die zuständigen Amtsveterinärinnen bei uns im Tierheim Süderstraße immer mit zwei Amtswaltern ausgesetzt war. (Alle ohne nennenswerte Ergebnisse). Und zusätzlich acht anlassbezogene in der Regel angekündigte Einzelbegutachtungen stattfanden. Bei denen die Amtsveterinärin aber eben auch mittelbar unsere Haltung und Versorgung der Tiere sehen kann. 

Ich habe die HTV Kontroll-Zahlen Friedrich Mülln zur Verfügung gestellt. Er hat sie in seiner Rede auf der 1. Großdemo gegen LPT verwendet. Denn wir waren uns einig, sie zeigen auf eklatante und exemplarische Weise das strukturelle Versagen der Behörden bei der Umsetzung von Tierschutzaufgaben und der Kontrolle von Tierhaltungen. 

Es läuft seit Jahren immer wieder gleich: Investigativ arbeitende Tierschützer*innen bringen die Realität in Schlachthöfen, sog. Nutztierhaltungen oder eben Tierversuchseinrichtungen in die Öffentlichkeit. Politische und behördliche Entscheidungsträger faseln sofort etwas von Einzelfällen und schwarzen Schafen der Branche. Irgendeinem Durchgreifen ab jetzt. Ein Bedauern von Vollzugsdefiziten und die Bitte um Verständnis für Personalmangel.  

Nein! Das was Tierschützer*innen aufdecken im LPT und anderswo ist die Normalität! der massenhaften gesetzlich und behördlich zugelassenen Tierquälerei. Die Folterkammern und Todestrakte des LPT sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.  

Im LPT wurden zur Zeit der verdeckten Recherche 88 genehmigte Versuche durchgeführt und 25 die nur angezeigt werden mussten und die allein dadurch, dass die zuständige Behörde gar nichts tut, durchgeführt werden dürfen.  Sog. Tierversuchskommissionen sind, da sie keinerlei Entscheidungskompetenzen haben eine Farce, nicht umsonst hat der Deutsche Tierschutzbund schon vor Jahren empfohlen, dass sich die unter seinem Dach organisierten Tierschützer*innen aus diesen Sinnlos-Kommissionen zurückziehen. Wir haben das sofort umgesetzt. 

Wenn Tierschützer*innen Tiere aus dem Ausland aufnehmen wollen oder Lebenshöfe für Tiere einrichten, können sie sich der gründlichen Nachfrage und behördlichen Überprüfung sicher sein. Oft genug muss man den Eindruck gewinnen, dass Tierschutzaktivitäten ganz besonders gerne behördlich kontrolliert werden und nicht selten mit besonderer Akribie. Politisch wird immer wieder versucht investigativ arbeitende Tierschützer wie Friedrich Mülln zu diskreditieren, gar zu kriminalisieren. Doch wir alle lassen uns nicht einschüchtern! 

Selbst wir im HTV merken, dass wir für einige zu viel Tierschutz machen, wir wagen es, nicht nur Erfüllungsgehilfe der Stadt Hamburg zu sein, sondern aktiv Leben zu retten von Hunden aus rumänischen Auffanglagernunsere Tierschutzberatung deckt immer wieder Tierschutzverstöße auf und hält die zuständigen Hamburger Behörden zum Handeln an. Die intensive teils schikanöse Überwachung durch die Amtsveterinärinnen des Bezirks Mitte, wohlgeheißen durch dessen Bezirksamtsleiter, scheint unser Lohn zu sein für diese Tierschutzarbeit. 

Aber da wo Tiere massenhaft systematisch malträtiert und getötet werden, da muss man wie in deutschen Schlachthöfen nur durchschnittlich alle acht Jahre mit einer behördlichen Kontrolle rechnen.  

Das hat System. Mit Tierqual lassen sich Millionen verdienen, Tierqual ist Teil unserer Konsumgesellschaft. Tierschutz bringt da nur Unruhe.  

Aber ich verspreche Ihnen: Wir bringen weiter Unruhe. Wir werden nicht ruhen, bevor das LPT diese Schande für Hamburg– geschlossen wurde. Wir werden weiter Preise, nein Preis“chen“ (20.000 Euro alle zwei Jahre) für Alternativmethoden als das bezeichnen was sie sind, peinliche Symbolpolitik, während 32 Millionen öffentliche Fördermittel in den neuen Tierversuchstrakt des UKE Hamburg geflossen sind.  

Friedrich Mülln aus meiner Sicht einer der bedeutendsten Tierschützer unserer Zeit- kann sich unserer tiefempfundenen Solidarität und tatkräftigen Unterstützung sicher sein. Dieser Vorstand des HTV wird niemals aus Angst, Eitelkeit oder Profitinteresse, die Sache der Tiere verraten. Wir werden nie still sein, wo man laut sein muss, niemals feige, wo man mutig sein muss. Bis sich was ändert- grundlegend! 

Wir sind Anwält*innen der Tiere! Immer! 

Sandra Gulla

verfasst im Oktober 2019