Brief einer Mutterkuh

(Anmerkung zum Foto: Leider hat die abgebildete Mutterkuh keine Hörner. Die Enthornung stellt einen tiefgreifenden Eingriff in die Unversehrtheit des Tieres dar. Kühe brauchen ihre Hörner für ihre vielfältigen sozialen Verhaltensweisen, wie z.B. für soziale Auseinandersetzungen, aber auch für die Körperpflege und sogar für die Wärmeregulierung. Leider ist die Enthornung bereits im Kälberalter Routine in der Milchindustrie. )

Brief einer Mutter

Wie gerne wäre ich für Dich eine fürsorgliche und liebevolle Mutter gewesen. Doch sie haben Dich mir sofort nach der Geburt entrissen. Ich fand Dich so schön und habe lange nach Dir gerufen. Doch für die Menschen bin ich nur eine Milchmaschine.

Du warst mein Erstgeborener und ich habe Dich nie wieder gesehen. Auch alle Deine Geschwister in den Jahren danach, haben sie mir weggenommen. Irgendwann wurde aus meinem Rufen ein schmerzverzerrtes Brüllen. Dann bin ich verstummt. Keiner hat es beachtet. Für die Menschen bin ich nur eine Milchmaschine.

Neun Monate habe ich Dich ausgetragen. Ich mochte das, obwohl ich mir Deinen Vater nicht aussuchen konnte. Ich wurde zwangsbesamt. Aber für Dich wollte ich immer nur eine fürsorgliche und liebevolle Mutter sein.

Wie gerne hätte ich auf Dich aufgepasst, Dich geputzt und gesäugt. Wir hätten unsere Köpfe voller Liebe aneinander gerieben. Unser ganzes Leben lang wären wir uns engverbunden geblieben. So hatten wir nicht mal zwei Stunden miteinander. Für die Menschen bin ich nur eine Milchmaschine.

Ich merke das meine Kraft nachlässt, mein Euter schmerzt ständig, meine Gelenke brennen. Dabei bin ich erst fünf Jahre alt. Mein Leben war keines. Mir bleibt nur zu wünschen, dass irgendwann die Kinder von den Menschen unsere Milch nicht mehr wollen. Dann könnte eine wie ich eine fürsorgliche und liebevoller Mutter sein. Dann wäre endlich Muttertag!

Deine Mutterkuh

Copyright Foto: Animal Rights Watch e.V. (ARIWA)

Verfasst am 09. Mai 2021